21.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Staat muss auf
162 000 Euro
verzichten

Fall Rixe: Streit um Schadensersatz

Von Uwe Koch
Bielefeld (WB). Bei der Neuauflage des Rixe-Prozesses vor dem Bielefelder Landgericht ist ein heftigter Streit entbrannt. Es geht um Schadensersatzansprüche aus einem der größten Korruptionsskandale in Ostwestfalen-Lippe.

Martina Tiltmann, Geschäftsführerin ders Vereins für berufliche Ausbildung und Qualizierung junger Erwachsener (BAJ), hat bestritten, dass sich die Ausbildungsvereine BAJ und BIWA nachlässig verhalten hätten. Demgegenüber bleibt die Staatsanwaltschaft Bielefeld bei der Ansicht, 162 000 Euro vergeblich eingezogen zu haben. Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald: »Wir haben für den Müll gearbeitet.«
Wie diese Zeitung berichtete, war der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Günter Rixe aus Bielefeld nach Erkenntnissen von Landgericht Bielefeld und Bundesgerichtshof (BGH) über Jahre in ein Korruptionskartell verstrickt gewesen. So habe er beim Bau gemeinnütziger Bildungseinrichtungen in Bielefeld (BAJ und BIWA) und Magdeburg (BAJ und JBO) mit Hilfe von Handwerksbetrieben in die eigene Tasche gewirtschaftet. In einem ersten Verfahren war der 65-jährige Klempnermeister zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Ein neuerlicher Prozess läuft derzeit vor dem Landgericht Bielefeld. Nach einer BGH-Vorgabe muss die Strafe neu festgesetzt werden.
Schon 2002 hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld im Zuge einer sogenannten Rückgewinnungshilfe bei Rixe und dem mitangeklagten BAJ-Geschäftsführer Gisbert B. Geld aus diesen Straftaten »dinglich arrestiert«. Insgesamt wurden bei Rixe 92 000 Euro, bei Gisbert B. 70 000 Euro konfisziert. Dieses Geld hätte den Opfern, also den gemeinnützigen Gesellschaften und Vereinen zugestanden.
Trotz mehrfacher Aufforderungen der Staatsanwaltschaft rührten sich die Vereine nicht. Im Herbst 2003 musste der Staat die Beträge freigeben. Rixe floss im November 2003 ein Geldsegen von 92 000 Euro zu, der ehemalige BAJ-Geschäftsführer B. erhielt mehr als 70 000 Euro.
Geschäftsführerin Tiltmann hatte schon damals erklärt, die an dem Bestechungskartell beteiligten Handwerksfirmen hätten »250 000 Euro Schadensersatz« geleistet. Hinsichtlich Rixe und B. gebe es »keine Gnade, keine alten Verbindlichkeiten«. Man werde sich an den Herren schadlos halten.
Nun erklärt Tiltmann, Schadensersatzleistungen bei mithaftenden Handwerksbetrieben »erfolgreich« realisiert zu haben. Das sei ein »Gebot wirtschaftlicher Vernunft«. Nicht möglich sei es, »einmal bereits anderweitig realisierte Schadensersatzansprüche ein weiteres Mal gegen Rixe geltend zu machen«.
Oberstaatsanwalt Burkhard Dannewald kommentierte diese Haltung fassungslos: Selbst wenn der gemeinnützigen Verein das Geld tatsächlich beigetrieben haben sollte, hätten die 162 000 Euro nicht verloren sein müssen. »Frau Tiltmann hätte nur eindeutig erklären müssen, dass sie das Geld nicht will oder braucht. Dann wäre der Staat der Nutznießer gewesen und hätte das Geld behalten dürfen.« Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.05.2005