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Die Billig-Welle ebbt ab

Trendforscher vermisst Kauf-»Lust« -ÊGenth gegen regionale Rabattkarte

Von Bernhard Hertlein
Frankfurt (WB). »Nur billig« verliert seinen Reiz. Das jedenfalls sagt Matthias Horx (61). Der Trendforscher und Leiter des Zukunftsinstituts in Frankfurt glaubt, dass die großen »Rabattschlachten« auch in Deutschland ihren Höhepunkt überschritten haben.

Nicht dass es überhaupt einen Billigsektor gibt, macht die Lage im deutschen Einzelhandel nach Ansicht von Horx so einzigartig. Discounter gebe es auch anderswo, beispielsweise in den USA. Einzigartig sei die Motivation, mit der sich die Deutschen auf jedes vermeintliche Schnäppchen stürzten: »Man kauft aus Angst vor dem sozialen Abstieg superbillig.« Folge sei eine Miesepetrigkeit, die auf Dauer keinen Spaß mache und den konjunkturellen Aufschwung verhindere. Anders die Lage in den Vereinigten Staaten; dort fühlten die Menschen eine echte Lust, ihren hart verdienten kleinen Wohlstand durch günstige Einkäufe zu mehren.
Dass die Stimmung auch in Deutschland umschlägt, hält Horx für eine ausgemachte Sache. Dinge mit Flair oder Gefühl, mit Stil, Design, Eleganz und ausgereifter Technik würden schon bald wieder höhere Preise erzielen. Das Gleiche gelte für Reisen, Kommunikation und Dinge, die mit der Liebe im Zusammenhang stehen.
Jeder weiß, dass billigste Ware den Käufer oft teuer zu stehen kommt - dann nämlich, wenn sie sich als unnütz erweist oder die Qualität nicht stimmt. Selbst Verbraucherschützer raten deshalb, auf Preis-Wertigkeit zu achten.
Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Ostwestfalen-Lippe, kritisiert im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT, vor allem die pauschal gewährten Preisnachlässe. Sonderangebote seien in den Augen der Kunden dann glaubwürdig, wenn sie mit einem bestimmten Anlass verbunden seien.
Genth äußerte sich ebenfalls kritisch zu Rabattkarten. Sie hätten dann ihren Sinn, wenn sie von großen Kaufhäusern, Supermarktketten oder dem kleinem Fachgeschäft um die Ecke zielgerichtet zur Kundenbindung eingesetzt würden. Das gleiche Produkt, von einem Betreiber für eine ganze Region entwickelt, bringe dem einzelnen Kaufmann überhaupt nichts. »Es schmälert nur seine Rendite«, meinte Genth.
Neben dem Einzelhandel leiden auch das Handwerk und die Landwirtschaft unter der Sucht vieler Deutscher, nur das Billigste einzukaufen. Geiz ist nicht geil, sondern hat bereits manchen Mittelständler an den Rand des Ruins getrieben. Das WESTFALEN-BLATT wird von heute an in einer neuen Serie die Folgen der Billig-Welle beleuchten und Unterschiede zur Preis-Wertigkeit herausarbeiten. Den Anfang macht in der heutigen Ausgabe ein Interview mit dem wohl bekanntesten deutschen Trend- und Zukunftsforscher, Matthias Horx. Wirtschaft

Artikel vom 26.05.2005