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Einkaufen muss wieder Spaß machen

Wenn selbst Schnäppchen keine Freude machen: Trendforscher Matthias Horx im Gespräch

Frankfurt (WB). Matthias Horx ist enttäuscht. »Es macht einfach keinen Spaß mehr, einkaufen zu gehen«, meint er. Doch das werde sich ändern. Künftig würden die Superbillig-Segmente eher stagnieren, kündigte der Frankfurter Zukunftsforscher im Gespräch mit Bernhard Hertlein an. Matthias Horx (49) ist Deutschlands einflussreichster Trendforscher. Er schrieb Bücher über Wertewandel und Jugendkulturen. 1997 gründete er sein Zukunftsinstitut in Frankfurt. Foto: Vyhnalek

Ist der Trend zu »Billig« wirklich so ungewöhnlich und einmalig, wie er derzeit in Deutschland wahrgenommen wird?Horx: Nein, er ist eher Teil unserer hysterisierten Selbstwahrnehmung. In allen reifen Konsum-Gesellschaften bildet sich früher oder später ein solcher Billigsektor aus. In den USA ist er mit der größten Supermarktkette der Welt, Wal Mart, sogar noch stärker als hierzulande. Allerdings inszeniert man bei Wal Mart das Thema ganz anders. Man gibt den Kunden das Gefühl, dass er trotz seines kleinen Geldbeutels der König ist. Man bringt ihm die Produkte ans Auto, packt alles ein, man hofiert auch die kaufschwachen Schichten. Das ist der Erfolg von Wal Mart, ein regelrechter Kult.
Hierzulande hingegen entwickelt sich der Billigsektor eher entlang von Angstgefühlen: Man kauft aus Angst vor dem sozialen Abstieg superbillig, nicht so sehr, wie in Amerika, aus Lust am hart verdienten kleinen Wohlstand. Wenn man aus Wal Mart 'rauskommt, lächelt man meistens, hier bei den Discountern eher nicht. Auf Dauer unterminiert das natürlich das Kaufgefühl. Es macht einfach keinen Spaß mehr, einkaufen zu gehen. Das erleben wir heute schon in der allgemeinen Konsumschwäche.

Wie lange, glauben Sie, wird dieser Trend anhalten?Horx: Er ist bereits heute jenseits seines Zenits. In den nächsten Jahren werden die Superbillig-Segmente eher stagnieren, aber es werden »Cheap-Chic«-Sektoren entstehen, die eine gute Qualität zu immer noch günstigen Preisen anbieten.

Können Sie ein Beispiel nennen für »cheap-chic« -ĂŠalso für preisgünstige und schicke Ware?Horx: Die spanische Modekette Zara bietet Designerkleidung zum Spottpreis, in edlen Geschäften. Das ist die neue Kombination.

Welche Folgen hat der Billig-Trend für die deutsche Industrie? Den Handel? Das Image der Deutschen?Horx: Es verstärkt die Selbstwahrnehmung des hässlichen Deutschen: Es setzt die Hersteller enorm unter Druck und gibt dem Handel eine gigantische vermeintliche Macht. Aber die Hersteller werden zurückschlagen. Gute Marken werden früher oder später ihre eigenen Erlebnis-Läden eröffnen oder mehr über das Internet vertreiben, um dem Knebelgriff des Handels zu entgehen.

In welchen Branchen werden die Deutschen künftig mehr Geld ausgeben?Horx: Für Kommunikation, Reisen, Services, Liebe und wirkliche, »smarte« Innovationen . . .

In welchen Branchen bleibt »Billig« auf absehbare Zeit das entscheidende Verkaufsargument?Horx: Über all da, wo wir die Dinge nicht als wirklich »wertig« empfinden. Im Elektroniksektor zum Beispiel haben wir das Gefühl, auf gewisse Weise sowieso betrogen zu werden. Die Geräte sind oft technologisch schon nach einem Jahr veraltet, die Bedienung ist kompliziert, die Funktionsfähigkeit oft fragwürdig. Die »Ich-lass-mich-nicht-verarschen«-Haltung greift hier also eigentlich einen Konsumenten-Frust auf und spielt geschickt mit negativen, zynischen Gefühlen.
Dinge mit Flair, Gefühl, Stil, Design, Eleganz und ausgereifter Technik werden immer ihren Preis erzielen. Nur das Zu-Schnelle unterliegt einem permanenten Preissog nach unten.

Folge 2 am Samstag:
Markenware hat ihren Preis

Artikel vom 26.05.2005