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Ein Blues auf
50 Milchkannen
und 20 Tonnen

Kirchentag-Auftritt vorgeführt

Von Malte Samtenschnieder
(Text und Foto)
Eckardtsheim (mcs). »Volle Kanne auf die Tonnen« schlugen die Mitglieder des integrativen Projektorchesters »Los Krawallos« Samstag in der Eckardtskirche bei der Vorstellung des Programms für ihren Auftritt beim evangelischen Kirchentag in Hannover. Im Wechsel mit der Theatergruppe »Götterspeise« werden sie ihre energiegeladene Performance dort am Freitag, 27. Mai, auf der Bühne der Diakonie präsentieren.

Restlos begeistert waren die zahlreichen Vorpremierengäste von der aufrichtigen Freude und dem ungestümen Temperament, mit denen die Akteure ihre kreativen Musik- und Theaterbeiträge darboten. Unter dem gemeinsamen Dach von Zionsgemeinde und Sport- und Kultur Eckardtsheim als Träger der beteiligten Ensembles zeigten sie sich in Höchstform. »Wir freuen uns sehr, dass beide Gruppen zum dritten Mal in Folge gemeinsam an einem Kirchentag teilnehmen«, lobte Pfarrer Berthold Becker die Kooperation.
Als keinesfalls »alltäglich« entpuppte sich der Ansatz, den Percussionist Olaf Pyras bei der Einstudierung der »Los Krawallos«-Darbietungen verfolgt hatte, auch wenn die eingesetzten »Instrumente« nahezu sämtlich dem Alltagsleben entnommen waren.
Außer 50 Milchkannen - einer Leihgabe des Wilhelmsdorfer Biohofs - spielten dabei insbesondere 20 dickbauchige Plastiktonnen eine zentrale Rolle. Monoton-wummernden Bass-Klängen der in Schwingungen versetzten Hohlkörper standen während des sich stetig verdichtenden musikalischen Geschehens scharfe rhythmische Impulse unzähliger Klanghölzer gegenüber.
Gespannt hielten die Zuhörer immer wieder den Atem an, während sie mit eigenen Ohren miterlebten, wie die mehr als 30 Musikerinnen und Musiker bei den gemeinsam entwickelten Stücken »Wooden Piece«, »Zehn - für eine friedliche Welt«, »Mu Mu« und dem »Milchkannenblues« zunächst schlichten rhythmischen Motiven zu komplexer Blüte verhalfen.
Ausschnitte aus dem aktuellen Programm »Kleine Welten - große Welten« der integrativen Gruppe »Götterspeise« rundeten die Schlagwerk-Performance ab. Der von kurzen Musikeinspielern begleitete bisweilen recht avantgardistische Mix aus Improvisations-Theater und Pantomime animierte die Zuschauer etwa, über ihren Platz im Leben nachzudenken.
Dem Ausspruch »Die Welt braucht keine behinderten Menschen, aber es gibt sie trotzdem« mussten sie dabei entschieden widersprechen. Denn mit ihren kreativen, souverän dargebotenen Beiträgen hatten behinderte und nichtbehinderte Akteure dem Publikum gemeinsam ein Stück erfolgreiche Integration vorgelebt. Dafür ernteten sie zu Recht langanhaltenden Beifall.

Artikel vom 23.05.2005