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Wo der Fuchs gute Nacht sagt
Vom Parkhotel zum Hotel Fox: ungewöhnliche Geschichte über die Entstehung einer Lifestyle-Herberge
Früher war alles besser. Von wegen. Der 68-jährige Hans Brøchner ist da ganz anderer Meinung. Früher, da hatte er ein Mittelklassehotel am Rande der Innenstadt von Kopenhagen. Heute gehört dem Dänen an gleicher Stelle eine Lifestyle-Herberge, wie es sie weltweit nur einmal gibt.
Das »Park Hotel« stand seit Mitte der 50er Jahre am Jarmers Plads in Kopenhagen. Biedere Fassade, leicht angestaubt wirkendes Mobiliar und auch ansonsten nicht mehr so ganz auf dem neuesten Stand - so präsentierte sich die Unterkunft noch Anfang Januar 2005.
Nicht einmal vier Monate später nahm an gleicher Stelle ein einzigartiges Projekt den Betrieb auf. Unter dem Namen »Hotel Fox« war in einer zuvor unvorstellbaren Rekordzeit »eine neue Vision vom Wohnen in einer Welt der Poesie« entstanden. Kim Pörksen, künstlerischer Bauleiter der Idee, ist bis heute fasziniert davon, dass der vorgegebene Zeitplan tatsächlich eingehalten werden konnte. Auch und gerade, weil 21 Künstler oder Künstlergruppen ihre individuellen Vorstellungen in dem Hotel umsetzen sollten. Die Koordination zwischen Handwerkern, Lieferanten, Hotel-Leitung, Architekten und eben jenen kreativen Köpfen war von größter Bedeutung, um den Termin der Fertigstellung einzuhalten.
Es war im November 2004, als das Telefon bei Hans Brøchner schellte. Der Anruf kam aus Deutschland. Und der 68-jährige Däne hatte den Verdacht, dass der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung nicht ganz richtig im Kopf sei.
Das »völlig verrückte Ansinnen«: Er solle sein Hotel sofort schließen. Dann müssten alle Möbel raus und es kämen ein paar junge kreative Leute aus aller Welt, die die 61 Zimmer des Hauses, die Flure und die Empfangshalle nach ihrem Geschmack umgestalten würden. Vermutlich seien dabei auch einige schrille, abgedrehte Ergebnisse zu erwarten. Eine schnelle Entscheidung sollte Brøchner bitte schön auch noch treffen.
Während andere Hoteliers in Kopenhagen bei ähnlichen Anrufen einfach auflegten, witterte der Chef des Park Hotels seine Chance. Vor allem, weil den Worten des Anrufers zufolge der Volkswagen Konzern hinter der Aktion stehe. Die Präsentation des neuen Kleinwagens Fox solle in einem außergewöhnlichen Umfeld erfolgen.
Ein kurzer Familienrat mit Ehefrau Bergliot (67) sowie seiner Tochter Kirsten (43) und die Entscheidung war gefallen. »Ok. Wir machen das.« Was der 68-Jährige mit dieser Zustimmung auslösen würde, das hatte er nicht einmal in seinen wildesten Träumen erwartet.
Die erste Schlacht wurde noch kurz vor Weihnachten geschlagen. Und zwar direkt am Jarmers Plads. »Park Hotel in Kopenhagen verschenkt gesamtes Mobiliar an Selbstabholer« hatte es in der kleinen Anzeige in einer Tageszeitung geheißen. Brøchner hoffte, so zumindest ein wenig der Einrichtung los zu werden, da er das Hotel ja »geräumt« übergeben sollte. Einem Orkan gleich stürmten daraufhin weit mehr als 1000 Schnäppchenjäger die Herberge, in deren Umfeld der Verkehr zuammenbrach. Es dauerte nur wenige Stunden, und das sechsstöckige Gebäude war so gut wie leer. Ob Sessel, Betten, Schränke, Waschbecken, Toiletten oder Lampen - alles fand Abnehmer.
Dann rollte die nächste Welle heran. 21 Künstler beziehungsweise Künstlergruppen »besetzten« das Haus. Die 40 jungen Frauen und Männer aus 13 Nationen brachten neben den unterschiedlichsten Materialien vor allem ihre Ideen mit und ließen ihrer Kreativität freien Lauf. In rasendem Tempo entwickelte sich aus der biederen Drei-Sterne-Herberge ein Lifestyle-Tempel.
Wer sich jetzt dort einquartiert, der darf sich freuen auf zauberhafte Waldwesen, orientalische Gemälde, fliegende Maschinen oder Märchengärten, in denen Königinnen und Könige in dekadentem Dekor auftauchen. In Zimmer 409 und 506 warten »Heidi« und »Geißenpeter« mit ziemlich abgedrehten Wanddekorationen und Einrichtungen. Wer auf rockende Pferdemenschen steht, die Marshmallow-Kuchen essen, dem sei Zimmer 205 empfohlen.
Lebendige Formen, die in der Dunkelheit zum Leben erwachen und sich in einer Regenwald-Hülle bewegen, sind im Zimmer 115 zu finden. Aber es gibt auch niedliche Puppenbildchen, mit Filzstift gemalte Rennwagen an den Wänden und Pseudofachwerk. Andere Räume sind mit Baumrinden und Ästen geschmückt, beherbergen antike Schränke, mächtige Betten, schwere Eisentische oder bizarren Trödel.
In diesem Hotel ist einfach nichts so, wie man es sich vorstellt. Jedes Zimmer ist ein Einzelstück, dass es so nicht einmal ansatzweise noch einmal gibt. Wer das Haus am Jarmers Plads in Kopenhagen betritt, der taucht ein in eine surreale Welt, sieht sich konfrontiert mit Kitsch und Kunst. Die Entscheidung darüber, was es ist, trifft jeder Gast für sich.
Die Künstler jedenfalls haben ihre Energie vom Eingangsbereich (die Lobby ist gleichzeitig auch unkonventioneller Frühstücksraum, das Büffet ist im Emfangstresen integriert) über die Flure und Treppenhäuser bis hin zu den kleinsten Winkeln im Dachgeschoss getragen und sich nach Herzenslust ausgetobt. Dabei waren viele von ihnen anfangs doch eher skeptisch, in wie weit sich denn der Auftraggeber doch in die Gestaltung einmischen würde.
Diese Befürchtungen aber waren ganz schnell verflogen. »Die haben uns wirklich machen lassen. Keiner hat uns reingeredet, unsere Ideen kritisiert oder gar um Zurückhaltung oder Gefälligkeiten gebeten«, sagt Sam, der gemeinsam mit Mel und Tury als »Friends with you« in Zimmer 122 »den Himmel geschaffen hat«. »Heavenly Palace«, so der Name des Raums, hat »den Charme und alle Annehmlichkeiten, die ein moderner Himmel haben sollte«.
Inzwischen steht dieser »moderne Himmel« ebenso wie alle anderen Zimmer im Hotel Fox allen Kopenhagen-Besuchern zur Verfügung. Und das zu festgelegten Preisen. Die variieren je nach Zimmer und Größe zwischen 125 Euro (Single Standard) bis 215 Euro (Junior Suite). Die Preise sind verhältnismäßig günstig für ein kreatives Lifestyle Hotel in Kopenhagen. Die dänische Hauptstadt gilt immerhin als die zweitteuerste Stadt der Welt hinter Tokio. Wolfgang Schäffer
www.hotelfox.dk

Artikel vom 02.07.2005