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Dreifaltigkeit
»sieht« einen
jeden Menschen

Neue Bronzeskulptur an St. Jodokus

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Das Holz des großen Kruzifixes auf dem Jodokus-Kirchplatz war morsch geworden; das Kreuz, für viele Menschen auch ein Ort für ein stilles Gebet, musste abgebaut werden. »Nicht ersatzlos«, hatte sich Pfarrer Uwe Wischkony bereits bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren vorgenommen. Gestern wurde eine Bronzeskulptur der Künstlerin Nina Koch aufgerichtet.

Möglich machte es der Nachlass von Hugo Stirnberg, die Künstlerin mit der Schaffung der Skulptur zu beauftragen; mit der Annahme der Erbschaft hatte sich die katholische Kirchengemeinde zur Anschaffung eines Kunstwerkes verpflichtet. Nina Koch schuf die Plastik »Gnadenstuhl«, eine Darstellung der Dreifaltigkeit, des leidenden Gottvaters, der seinen toten Sohn in den Armen hält; der Heilige Geist ist in Form der Taube auf der Mantelschließe dargestellt. Für Nina Koch ist der »Gnadenstuhl« eine Ergänzung zum Bild der Pietà (Maria mit Jesus in den Armen): göttliche Liebe, väterliche Trauer, Annahme des Todes. Die Komposition der Figurengruppe antwortet auf den gotischen Kirchenbau, zeigt eine aufstrebende Leichtigkeit - trotz der zum Teil zerschrundenen Oberfläche. Nina Kochs Gottvater trägt den Sohn nicht, sondern berührt ihn nur zart. Gottvater trägt eine so genannte Bügelkrone, die vom hoch aufragenden Kirchenfenster umrahmt, vergrößert zu werden scheint.
Gegossen wurde die Skulptur in einem aufwändigen Verfahren in der Werkstatt Hermann Noack in Berlin; dort ließ auch Henry Moore arbeiten - unter anderem sein »Oval mit Spitzen« im Kunsthallenpark. Der »Gnadenstuhl« wiegt 400 Kilogramm und ist 2,50 Meter hoch; die Bronze steht auf einem 70 Zentimeter hohen Sockel aus Sandstein, der in der Braker Werkstatt von Heinz-Werner Horn gefertigt wurde.
Horn sorgte gestern auch dafür, dass der »Gnadenstuhl« seinen unverrückbaren Platz fand. Für Pfarrer Uwe Wischkony ist der »Gnadenstuhl« nicht nur außergewöhnlich, weil er »wirklich wie für diesen Platz geschaffen« sei, sondern auch, weil er eine der wenigen sakralen Skulpturen im öffentlichen Raum in Bielefeld überhaupt ist. Die rückwärtige lateinische Inschrift »Ecce homo - Sehet den Menschen« ist für die Künstlerin eine Aufforderung, die stets den »Kern ihrer Arbeiten« bilde, für den Pfarrer die Überzeugung »Gott sieht den Menschen, jeden Menschen«.
Der »Gnadenstuhl« wird nach er Messe am Dreifaltigkeitssonntag, 22. Mai, um 12.30 Uhr gesegnet. Uwe Wischkony wünscht sich, dass die Skulptur, wie vorher das Kreuz, ein Ort zum Innehalten wird.

Artikel vom 20.05.2005