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Benimmkurs, damit's im Leben klappt

Jugendliche der Siekerschule lernen ihren »Knigge« kennen - Fehler oft aus Unsicherheit

Von Sabine Schulze
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Die Siekerschule beschreitet eigene Wege, wenn es darum geht, Schüler auf das Berufsleben vorzubereiten: Beliebigkeit wird nicht geduldet, und für angehende Praktikanten gibt es jetzt erstmals sogar einen Benimmkurs.

Denn für den ersten Eindruck, sagt Ursula Heywinkel, Beratungslehrerin der Hauptschule, gibt es keine zweite Chance. Und wer aus Unsicherheit oder Unkenntnis ins Fettnäpfchen tritt, hat vielfach schon verspielt - unter Umständen sogar seinen beruflichen Einstieg.
Als sie hörte, dass einer ihrer Praktikanten einer Einladung zur Weihnachtsfeier in seinem Ausbildungsbetrieb nicht gefolgt war, weil er nicht wusste, wie er sich benehmen sollte, war für sie klar: ein Benimmkurs ist nötig. »Denn unsere Schüler sind nicht unhöflich. Aber sie sind oft unsicher«, betont sie. Und nicht immer wird zuhause »der Knigge« vermittelt.
Ursula Heywinkel betreut an der Siekerschule seit 2003 das »Schups«-Projekt, in dem Zehntklässler in Betriebe vermittelt werden, um dort ein Jahr jeden Donnerstag zu arbeiten, sich vorzustellen und einen Beruf kennenzulernen Vielfach führte dieses »Schnupperjahr« bereits zu einem Ausbildungsvertrag. Erstmals müssen die Teilnehmer des kommenden Jahres derzeit als Neuntklässler einen Vorbereitungskurs absolvieren. Darin enthalten ist ein achtstündiger Benimmkurs in der Tanzschule von Peter Wolff.
Den theoretischen Erklärungen lässt »Herr Knigge« praktische Übungen folgen: Hanan El-Issaoui hat die Aufgabe, ihre Klassenkameradin Gülnaz Ak Ñ in der Rolle der neuen 40-jährigen Abteilungsleiterin - dem erst 25-jährigen Chef (gespielt von Georg Justus) vorzustellen. Gülnaz ist also die Ältere und dazu die Frau - »und trotzdem wird sie dem jüngeren Mann vorgestellt. Denn hier zählt die Hierarchie, und er trägt die Krone«, erklärt Wolff. Das Bild von der Krone ist eingängig, prägt sich ein. »Im privaten Bereich wäre aber die Frau diejenige, der der Mann zuerst vorgestellt wird«, hat Engin Sam gelernt.
Die Jugendlichen sind mit Begeisterung dabei: »Man lernt viel, und es macht sicherer«, sagt Daniel Karelin »Und wenn man es erst einmal begriffen hat, ist es leicht.« Diskussionen entspinnen sich, während der Tisch eingedeckt wird: Soll man bei einem Essen mit dem Chef einen Anstandsrest zurücklassen? Eindeutig ja, findet Engin: »Damit man nicht gierig wirkt.« Gut, aber falsch gedacht: »Man lässt nur etwas zurück, wenn man satt ist und wird das auch so begründen. Anderenfalls muss der Chef fürchten, die falsche Küche gewählt zu haben; diese Verlegenheit sollte man ihm ersparen«, sagt Wolff.
Welches Glas für welchen Wein benutzt wird, wie voll man es einschenkt, welche Temperatur der Wein haben sollte - das alles wird vermittelt in der Übungseinheit »Tischlein deck' Dich«. »Aber auch die Frage, wie ich sitze oder wo meine Arme sind«, ergänzt Ursula Heywinkel schmunzelnd.
Sie achtet auch auf Körpersprache und Haltung, und niemals würde sie akzeptieren, dass Schüler Kaugummi kauend, mit Mütze und ohne anzuklopfen in ihr Beratungszimmer kommen. Längst ist an der Siekerschule auch wieder eingeführt, dass Schüler sich erheben und grüßen, wenn der Lehrer das Klassenzimmer betritt: »Es ist höflich und es verhilft dazu, dass sich alle einmal sammeln.«

Artikel vom 20.05.2005