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Bahnschalter im Supermarkt

Kasse statt Schalter - Billigtickets bei Lidl - auch Filialen in OWL bestürmt

Paderborn/Bielefeld (dpa/WB/pic/kawe/ef). Die Supermarktkasse als Bahnschalter: Mit dem erstmaligen Verkauf von mehr als einer Million Billig-Tickets hat die Deutsche Bahn gestern einen Ansturm auf die Filialen des Discounters Lidl ausgelöst. Auch in den Filalen in der Region waren die Fahrscheine waren schnell vergriffen.
Die Kunden, die leer ausgingen, konnten sich in vielen Filialen mit Namen, Adresse und Telefonnummer in Listen eintragen. Hier zeigt Lidl-Verkäuferin Yvonne Lempa die gut gefüllte Liste. Foto: Karl Pickhardt
Im Raum Paderborn waren in sechs Lidl-Märkten rund um die Kernstadt innerhalb weniger Minuten alle 875 verfügbaren Tickets verkauft. »Beim Öffnen meines Marktes standen schon 150 Leute in der Schlange und wollten für 49,90 Euro Tickets kaufen«, berichtete Filialleiter Markus Niggemeier (32) vom Lidl-Markt in der Bahnhofstraße.
Den meisten Märkten standen nur 150 Karten zur Verfügung. Schon am frühen Vormittag lagen Bezirksstellenleiter Raoul Sunega (30) Nachbestellungen vor. Derweil trugen sich in den zehn Märkten des Kreises Paderborn etliche hundert Menschen in Wartelisten ein, so dass allein gestern mehr als tausend Bahnkarten-Wünsche aus dem Paderborner Land an Lidl-Kassen geäußert wurden. »Sobald wir noch welche bekommen, werden wir unsere Kunden telefonisch benachrichtigen«, versprach der Bezirksleiter.
»Als ich von der Lidl-Aktion erfuhr, habe ich mich sofort schlau gemacht, ob sich das auch für mich lohnt«, bericht eine 46-jährige Hausfrau aus Rahden. Sie hatte Glück und erstand gleich zwei Tickets. »Damit werde ich nach Köln und nach Dresden reisen.«
Viele andere Kunden gingen indes leer aus und mussten enttäuscht wieder abziehen, weil die Lidl-Filialen etwa in Bielefeld, Halle, Bünde, Steinhagen, Bad Oeynhausen, Brakel, Warburg und Lübbecke meist schon eine Stunde nach der Öffnung »ausverkauft« waren. An vielen Filialen hatten sich lange vor der regulären Öffnungszeit um acht Uhr Schlangen gebildet. »Wir haben die reichlich vorhandenen Fahrkarten sehr schnell verkauft«, sagte in Schloß Holte-Stukenbrock Lidl-Marktleiterin Frieda Born. »Als das Geschäft geöffnet wurde, waren mehr Kunden als an normalen Tagen da.« Die Kassiererinnen versprachen, dass auf jeden Fall noch Karten nachgeliefert würden.
Die Fahrscheinhefte mit je zwei Tickets waren zum Preis von 49,90 Euro im Angebot. Sie gelten bis zum 3. Oktober für eine beliebig lange Reise innerhalb von Deutschland. Kinder bis zu sechs Jahren fahren kostenlos mit. Trotz des Erfolgs in den bundesweit 2600 Lidl-Niederlassungen soll die Aktion eine Ausnahme bleiben.
Mit dem erstmaligen Verkauf von Tickets im Supermarkt wollte sich die Bahn vor allem gegen die Konkurrenz der Billigflieger zur Wehr setzen. Der Versuch von Reisebüros, die Aktion per Gerichtsbeschluss noch stoppen zu lassen, blieb ohne Erfolg.
Die Bahn kündigte an, bereits im Juli »andere attraktive Sonderangebote« anzubieten. Derweil forderten Verbraucherschützer von der Bahn, auch am Schalter Billig-Fahrscheine anzubieten. »Die enorme Nachfrage zeigt, dass das normale Preissystem nicht in Ordnung ist«, sagte der Verkehrsexperte der Stiftung Warentest, Michael Koswig. Im Internet wurden gestern Nachmittag bereits mehrere hundert Billig-Tickets deutlich teurer zum Weiterverkauf angeboten.

Artikel vom 20.05.2005