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Um »Ja« der Franzosen gebeten

EU-Verfassung - Dreiertreffen im Rahmen des »Weimarer Dreiecks«

Nancy (dpa). Bundeskanzler Gerhard Schröder und der polnische Präsident Aleksander Kwasniewski haben die Franzosen eindringlich aufgerufen, beim Referendum über die EU-Verfassung am 29. Mai mit »Ja« zu stimmen.

»Europa braucht Frankreich«, erklärten beide gestern bei einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac in Nancy. Die drei Politiker konnten sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Position zur Höhe des EU-Haushalts und der Hilfen für Polen einigen.
»Lassen Sie uns andere Europäer in punkto Verfassung nicht alleine«, sagte Schröder. Es sei »reine Illusion« zu glauben, es gebe einen »Plan B« für den Fall, dass Frankreich die Verfassung ablehne.
Auch Chirac erklärte, es werde »keine Neuverhandlung« des Verfassungsvertrags geben. Der französische Staatspräsident erinnerte an die überwältigende Zustimmung zur EU-Verfassung im Bundestag und äußerte die Hoffnung, dass am 29. Mai auch Frankreich dem Vertragswerk zustimmen werde. Europa stehe nicht nur für Jahrzehnte des Friedens und der Freiheit seiner Bürger, sondern auch für ein eigenes Sozialmodell, betonte Chirac. Kwasniewski fügte hinzu, ein klares Bekenntnis wäre hilfreich für das im Herbst anstehende Referendum in Polen.
Nach jüngsten Umfragen liegen die Verfassungsgegner in Frankreich knapp vor den Befürwortern. Paris erhofft sich von dem gestrigen Dreiergipfel Rückenwind für das »Ja«.
Bei der Enthüllung einer Erinnerungsplakette am zentralen Platz Stanislas in Nancy sagte der Kanzler, die EU-Verfassung mache »Europa demokratischer und handlungsfähiger: Sie stärkt seine soziale Dimension und seine Rolle in der Welt«. Ausdrücklich erwähnte er die Verfassungsziele der sozialen Marktwirtschaft, der Vollbeschäftigung und des sozialen Fortschritts. »Ich habe die inständige Bitte, an die Verantwortung Frankreichs zu denken und im Interesse der weiteren Entwicklung Europas mit Ja zu stimmen.«
Ein Kernthema des Treffens waren die EU-Finanzen. Gemeinsam forderten die drei Spitzenpolitiker Neuverhandlungen über den seit 1984 gewährten »Briten-Rabatt« bei den EU-Beiträgen. Man wolle für die Budgetplanung 2007 bis 2013 »über den britischen Scheck neu diskutieren und ihn neu regeln«, sagte Chirac.
Kwasniewski forderte für Polen genauso viel Hilfen wie für Spanien, was eine Aufstockung des EU-Haushalts erfordern würde. Schröder bekräftige dagegen, die Ausgaben müssten auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt bleiben. »Wir müssen darauf bestehen, dass das Ziel bei einem Prozent bleibt.« Paris beharrte darauf, dass die Agrarbeihilfen bis 2013 gesichert bleiben.
Chirac erklärte sich mit Schröder und Kwasniewski einig über die Prinzipien der Budgetdisziplin, der Solidarität mit den neuen EU- Mitgliedern, der Sicherung der Gemeinsamen Agrarpolitik und der ausgewogenen Finanzierung des EU-Budgets.
Kwasniewski nannte das Solidaritätsprinzip eine Garantie für Polen, den Entwicklungsabstand zu den 15 alten EU-Staaten aufholen zu können. Als »Übertreibung« wies er die Vorstellung zurück, billige polnische Arbeiter würden die westlichen Staaten überschwemmen. Nur wenige Polen seien zum Arbeiten nach Westen gezogen.
Schröder und die beiden Präsidenten trafen sich im Rahmen des »Weimarer Dreiecks«. Der Name geht auf ein Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens 1991 in Weimar zurück, auf dem jährliche Konsultationen der drei Länder beschlossen wurden.

Artikel vom 20.05.2005