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Der Weg zu Neuwahlen
ist schwierig

Die Vertrauensfrage

Berlin (dpa). Bundespräsident Horst Köhler ist von der SPD-Spitze nicht vorab über die Pläne für ein vorzeitiges Ende der Legislaturperiode informiert worden.
Ein Sprecher des Bundespräsidialamts erklärte gestern Abend: »Bundespräsident Köhler wird sich mit der Frage befassen, wenn sie an ihn herangetragen wird.«
Dem Bundespräsidenten kommt bei der Entscheidung über eine Neuwahl eine zentrale Rolle zu. Die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers kann der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zufolge nicht beliebig zur Auflösung des Bundestages genutzt werden.
1982 hatte es nach einem konstruktiven Misstrauensvotum den Wechsel von der sozialliberalen Regierung unter Helmut Schmidt (SPD) zum schwarz-gelben Bündnis unter Helmut Kohl (CDU) gegeben.
Die anschließende Neuwahl am 6. März 1983 bestätigte dann die neue Regierungsmehrheit von Union und FDP. Im Unterschied zu damals geht es jetzt darum, dass mit Rot-Grün eine bestehende Koalition eine Neuwahl durchsetzen will, um ihre Arbeit fortsetzen zu können.
Die Beurteilung, ob dieser Schritt vom Grundgesetz gedeckt wird, ist - so Verfassungsexperten - rechtlich sehr problematisch.
Um eine Neuwahl des Bundestages zu erreichen, müsste Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach Artikel 68 des Grundgesetzes im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Bekommt er keine Mehrheit, kann der Bundespräsident binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen, sofern das Parlament keinen anderen Bundeskanzler wählt.
Die Vertrauensfrage kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht beliebig zur Auflösung des Bundestages benutzt werden. Es muss eine echte Regierungskrise vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundeskanzler und indirekt auch dem Bundespräsidenten in dieser Frage nach einer Organklage im Jahr 1983 einen gewissen Entscheidungsspielraum zugebilligt.

Artikel vom 23.05.2005