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Statt Kultur nun StadtKultur

Die ostwestfälische Kommune Bünde geht neue Wege

Von Rainer Grotjohann
Bünde (WB). In den Ballungsgebieten an Rhein und Ruhr werden Theater geschlossen, die gebeutelten Städte reduzieren das kommunale Kulturangebot auf ein Minimum oder stampfen es komplett ein. Das kleine Bünde im Kreis Herford mit seinen 48 000 Einwohnern geht andere Wege. »StadtKultur statt Stadtkultur« heißt hier die Devise: Die Kommune hat die Kultur komplett privatisiert.

Und die »StadtKultur GbR« hat das Angebot nicht eingedampft, sondern weitet es ständig aus, zu günstigeren Konditionen für die Kommune, als es das unter städtischer Regie möglich war.
Möglich machen das Dirk Kaiser und Peter Wanjek, die Inhaber der eigens für diesen Zweck gegründeten Firma. Beide verfügen über beträchtliche Erfahrung in der Veranstaltungsbranche. Sie mussten aber eine Menge Überzeugungsarbeit leisten, um der Politik die Stichhaltigkeit ihres Konzeptes zu verdeutlichen.
Bedenken gab es im Vorfeld zuhauf: Darf man die hehre Kultur in die Hände eines Privatunternehmens geben? Wird das Programm dann nach rein kommerziellen Gesichtspunkten gestaltet? Müssen die Eintrittspreise nicht drastisch erhöht werden?
Sie mussten es nicht, außerdem verpflichtete sich das Unternehmen, die vorhandenen Abonnement-Strukturen zu übernehmen. Die bewährte Mischung aus (Tournee-) Theater und Konzerten ist beibehalten worden. Letztlich entscheidend aber dürfte das liebe Geld gewesen sein. Denn das Unternehmen garantiert der Stadt auf Jahre hinaus Planungssicherheit. Für seine Dienstleistungen bekommt es einen Betrag X, der sich bis zum Jahr 2010 nicht erhöhen wird. Und diese Summe liegt deutlich unter den Aufwendungen, die unter städtischer Regie bis ins vergangene Jahr hinein angefallen sind. Die Kulturamts-Mitarbeiter sind mittlerweile in andere Abteilungen der Verwaltung umgesetzt worden.
Nächste Hürde: das EU-Recht. Der Auftrag musste europaweit ausgeschrieben werden. Interessierte Firmen gab es reichlich, jedoch - abgesehen von Kaiser und Wanjek - keine einzige aus der Region. Und letztlich gab auch nur die StadtKultur GbR ein Angebot ab. Die ortsfremden Veranstalterfirmen wollten die für sie unabsehbaren Risiken nicht eingehen.
Kaiser und Wanjek machten sich an die Arbeit, unterstützt von bis zu 15 festen Beschäftigten, Honorar- und Aushilfskräften. Sie bieten den Komplettservice, von der Programm-Auswahl, dem Abschließen der Verträge, dem Ticket-Verkauf, dem Betreuen der Künstler vor Ort (Fahrdienst und Catering inclusive), dem Stellen und Bedienen der Veranstaltungstechnik bis zum Bewerben der Veranstaltungen.
Dass beide seit Jahren das Programm im »Universum«, einem denkmalgeschützten Kino- und Veranstaltungsgsgebäude (Kleinkunst, Kabarett, Comedy, Konzerte, Vortagsveranstaltungen) in Bünde realisieren, erleichterte ihnen den Start.
Vom städtischen Abonnement-Programm übernahmen sie in der ersten Saison die Grobstrukturen, zum einen wegen der vertraglichen Verpflichtungen, zum anderen wohl auch mit der Zielsetzung, den Abonnenten-Stamm nicht zu irritieren. Beide gingen dennoch Risiken ein, indem sie neue, experimentelle Elemente ins Programm einbauten, etwa mit der Inszenierung »Stage TV«: Die mit Artistikelementen versetzten Darbietungen der Künstler auf der Bühne werden per Video auf Leinwände produziert - Theater einmal ganz anders. Und das Experiment glückte, das Publikum war restlos begeistert.
Das macht Kaiser und Wanjek Mut, auch in der Saison 2005/2006 den einen oder anderen neuen Weg zu gehen - ohne die Fixpunkte klassisches Theater/klassische Musik zu vernachlässigen - im Gegenteil wird mit Mozarts »Cosi van Tutte« erstmals in Bünde eine Oper auf die Bühne der Stadthalle gebracht. Neue Wege, abseits des etablierten Abonnement-Programms wollen Wanjek und Kaiser in der kommenden Saison mit dem so genanten »Jungen Abo« beschreiten. Wanjek: »Ziel ist es, junge Leute behutsam an Kultur im weiteren Sinne heranzuführen«. Kontinuierlich will »StadtKultur« das Angebot ausweiten, unter anderem mit sechs Kinder-Theateraufführungen. Damit steigen auch die Kosten - ohne dass der Stadtkämmerer tiefer in die Tasche greifen muss. Das unternehmerische Risiko liegt allein bei Kaiser und Wanjek.

Daten & Fakten
Die StadtKultur GbR wurde 2004 gegründet, Geschäftsführer sind der 46-jährige Dirk Kaiser (Kaufmann und Veranstaltungstechniker, Inhaber einer Werbeagentur und gleichzeitig Geschäftsführer der Universum Betriebsgesellschaft) und der 48-jährige Peter Wanjek (gelernter Landwirt, Eventmanager, er leitete in Norddeutschland ein soziokulturelles Zentrum, betrieb über Jahre eine Künstler- und Veranstaltungsvermittlung). Die GEsellschaft hat 15 Mitarbeiter inclusive Honorar- und Aushilfskräften.

Artikel vom 26.05.2005