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Doping oder kein Doping?

Polizeiaktion bei Giro erschreckt Turin 2006

Vicenza (dpa). Staatsanwälte, Durchsuchungen und Gesetzes-Chaos - die umstrittene Antidoping-Aktion der italienischen Polizei beim Giro d'Italia versetzt Olympia 2006 in Turin in Angst und Schrecken.

»Ich mache mir für die Spiele große Sorgen«, sagte der Olympia-Beauftragte der italienischen Regierung, Mario Pescante. Der Staatssekretär fürchtet, dass die durch internationale Dopingregeln nicht gerechtfertigte Polizeiaktion gegen das Radteam Davitamon des dreifachen Etappengewinners Robbie McEwen nur ein Vorgeschmack auf zu erwartende Razzien bei den Winterspielen sein wird. Gestern beschlagnahmte die Polizei ein Zelt zur Simulierung von Höhentrainings-Effekten und - offenbar legale - Medikamente.
Das italienische Anti-Doping-Gesetz ist schärfer als alle internationalen Regeln und widerspricht teilweise gar dem Reglement der Internationalen Antidoping-Agentur (WADA). »Hier herrscht Konfusion«, klagte Pescante, der vergeblich versucht, das scharfe italienische Zivilrecht mit den Regeln der internationalen Sportverbände in Einklang zu bringen.
Da das Problem nicht gelöst werden kann, versucht es Pescante nun typisch italienisch. »Ich versuche zu klären, ob man das Gesetz für die Dauer der Spiele aussetzen oder Turin für die Zeit eine Art extraterritorialen Status verleihen kann«, sagte Pescante der »La Gazzetta dello Sport«.
Bleibt Italiens Anti-Doping-Gesetz unverändert in Kraft, drohen den Spielen Polizeiaktionen wie am Mittwoch im Teamhotel von Davitamon-Lotto. Auf Anordnung von Vicenzas Staatsanwalt Paolo Pecori beschlagnahmten drei Beamte der Gesundheitspolizei (NAS) den von der WADA und dem Internationalen Radsportverband UCI genehmigten Höhentrainingssimulator »AltiTrainer«.
Mit dem Gerät kann man den Sauerstoffgehalt in der Atemluft von normal 20 Prozent auf bis zu 10 Prozent reduzieren, was einem Training auf einer Höhe von 5000 Metern entspricht. Dort produziert der Körper schnell große Mengen an zusätzlichen roten Blutkörperchen, was den Sauerstofftransport in die Muskeln und damit die Leistung des Athleten verbessert.
Für das italienische Anti-Doping-Gesetz 376/2000 ist dies Doping in Form von »künstlicher Steigerung des Anteils roter Blutkörperchen« und gleichzusetzen mit EPO-Blutdoping. Das Gesetz sieht für den Teamarzt Daniele De Neve im Falle einer Verurteilung Haftstrafen von drei Monaten bis hin zu drei Jahren vor. Der Internationale Radsportverband UCI bekundete gestern schriftlich seine Solidarität und sprach sich erneut für »die Harmonisierung der Anti-Doping-Gesetzgebung« aus.

Artikel vom 20.05.2005