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Labile Lage, aber mit Hoffnung auf Besserung

Zur Situation des Einzelhandels in Ostwestfalen-Lippe - neue, anspruchsvolle und innovative Konzepte


Von Stefan Genth
Wie steht es um den Einzelhandel in Ostwestfalen-Lippe? Wie waren die vergangenen Monate? Und wohin geht der Weg? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Einzelhandel in der Region intensiv.
Die traditionelle Konjunkturumfrage des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels Mitte April hat teilweise Antworten gegeben. Kurz gesagt: Die Antworten der befragten Einzelhandelsunternehmen, auch aus Ostwestfalen-Lippe, machen Mut: Denn alles spricht dafür, dass sich der deutsche Einzelhandel restrukturiert.
Zwar lebten 47 Prozent der befragten Einzelhandelbetriebe im zweiten Halbjahr 2004 weiterhin mit Umsatzeinbußen. Aber verglichen mit dem Vorjahreszeitraum (58 Prozent) hat der Anteil der Umsatzverlierer deutlich abgenommen. Umgekehrt ist der Anteil der Betriebe, die in der zweiten Jahreshälfte 2004 einen Umsatzzuwachs erreichen konnten, auf 39 Prozent gestiegen. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 28 Prozent.
Zwar schnitten die großen Unternehmen des Einzelhandels auch diesmal noch besser ab als die Kleinen: Zum Beispiel erhöhten im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres 64,2 Prozent der Betriebe mit mehr als zehn Millionen Euro Jahresumsatz ihre Erlöse. Aber die kleinen Unternehmen holen deutlich auf. Immerhin 31 Prozent der Unternehmen mit weniger als 250 000 Euro Jahresumsatz steigerten ihre Umsatzzahlen.
Ein Lichtblick sind die im Vergleich zur Vergangenheit positiveren Umsatzerwartungen. Nur 22 Prozent der Geschäfte rechnen für das erste Halbjahr 2005 mit einem Rückgang ihrer Umsätze, 28 Prozent hoffen auf Umsatzsteigerungen. Der Optimismus kehrt ganz allmählich in den Einzelhandel zurück - es wurde dafür auch Zeit. Wenngleich auch die konjunkturelle Situation weiterhin labil bleibt, weil die deutsche Wirtschaft bei immer noch schwachen Binnenkonjunktureinflüssen von dem Ausland abhängt. Eine vergleichsweise schwache Verzögerung der Impulse aus der Weltwirtschaft kann bereits eine Wachstumspause auslösen, wie wir sie im zweiten Halbjahr 2004 überraschend erfahren haben.
Dennoch: Es gibt in Deutschland und damit auch in Ostwestfalen-Lippe eine große Zahl von neuen, anspruchsvollen und innovativen Einzelhandelskonzepten, die bei den Verbrauchern gut ankommen. Und zum größten Teil kommen sie von kreativen mittelständischen Unternehmen, die sich schon bald als »kleine Riesen« entpuppen könnten. Im deutschen Einzelhandel gibt es immer mehr neue, junge und erfolgversprechende Unternehmungen. Im Handel hat dabei das Umdenken längst schon begonnen. Das zeigt sich auch darin, dass immer mehr Unternehmen auf den Gewinn und nicht auf Umsatzexpansion setzen.
Die Zukunft ist ein kleinwenig heller, aber bei weitem noch nicht rosig. Die meisten Faktoren, die die Einzelhandelskaufkraft 2004 belastet haben, bleiben in abgeschwächter Form auch in diesem Jahr wirksam. Energie und Gesundheit werden mehr kosten und nochmals das Budget der Verbraucher für das Einkaufen verkleinern. Daher wird der Einzelhandel auch 2005 nicht mit einem Umsatzplus rechnen können. Nach der sehr vorsichtigen Schätzung des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels werden wir ein viertes Jahr in Folge mit einem negativen Vorzeichen erleben. Keine guten Aussichten, aber immerhin fällt das Minus nicht ganz so kräftig aus wie im vergangenen Jahr.
Wichtig ist dabei auch, dass die Innenstadt im Standortwettbewerb wieder bessere Karten hat. Die Citys konnten sich in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren wieder etwas besser vom Wettbewerb der Standorte, insbesondere gegenüber der grünen Wiese, behaupten. Die Innenstädte holen auf. Unter den Standorten geht der Trend hin zu immer stärkerer Polarisierung. Hier sind auch in Ostwestfalen-Lippe zwei Bewegungen zu beobachten: Überdurchschnittlich gut läuft es bei Geschäften in den Top-Lagen in den Innenstädten oder aber auf der grünen Wiese. Diese Entwicklung wird sich in der Zukunft weiter ver-stärken. Trotz dieses harten Standortwettbewerbes sind die Innenstädte nach wie vor die Einkaufsstandorte Nummer eins. Gemeinsam mit anderen zentralen Lagen erzielen sie Zweidrittel der Umsätze im Einzelhandel.
Die zunehmende Neuansiedlung von Einkaufszentren in den Stadtteilen und außerhalb der Ballungsbereiche verstärkt diesen Trend. Heute existieren in Deutschland 352 Einkaufszentren mit mehr als zehn Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche. Zumindest positiv ist es, dass diese Einkaufscenter in den vergangenen Jahren häufig nicht mehr auf der grünen Wiese entstehen. Auch der Neubau innerstädtischer Einkaufscenter, mit zu viel Verkaufsfläche am falschen Standort, kann für die Geschäfte in den Einkaufsstraßen das Aus bedeuten. Deshalb müssen neue Einzelhandelsflächen städtebaulich integriert werden und eine verträgliche Größe haben.
Einen Lichtblick und eine positive Entwicklung könnte in diesem Jahr der private Verbrauch für den Einzelhandel bringen. Erste Lebensgeister sind durchaus geweckt. So hat sich zum Beispiel das Konsumklima seit Jahresende fasst kontinuierlich verbessert. Es scheint so, als hätten die Verbraucher ein wenig Hoffnung und Vertrauen geschöpft. Wichtig ist aber, dass selbst ein Anstieg der privaten Konsumausgaben nicht automatisch zu einer kompletten Belebung des Einzelhandels führen wird.
Der Einzelhandel und hier vor allen Dingen der inhabergeführte, spezialisierte, mittelständische Facheinzelhandel wird sich daher noch stärker als bisher auf seine Kernkompetenzen, nämlich auf Service, Beratung und Qualität, nicht nur beim Produkt, sondern auch beim Verkauf, besinnen.

Artikel vom 26.05.2005