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Minister Trittin lässt Bauern
von »Feldspionen« bespitzeln

Verdeckte Beobachter kontrollieren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln

Von Hubertus Hartmann
Borgentreich (WB). Ein neues Spitzelprogramm Jürgen Trittins bringt Deutschlands Bauern auf die Barrikaden. Der bündnisgrüne Bundesumweltminister schickt verdeckte Ermittler, Feldspione und Testdiebe über die Höfe und Äcker, um den Umgang der Landwirte mit Pflanzenschutzmitteln zu kontrollieren.
Vorsicht, Umweltminister Jürgen Trittin (re.) schickt »Testdiebe«: Sie könnten, so warnen die Landwirtschaftskammern, unbeaufsichtigte Kanister mit Pflanzenschutzmitteln stehlen, während die Landwirte mit der Feldspritze unterwegs sind. Foto: Jürgen Vahle

Im Umweltbundesamt (UBA) läuft das Projekt unter dem Namen »Unangekündigte Feldbeobachtung«.
»Das Projekt ist vor sechs Wochen angelaufen, Kontrolleure sind bereits unterwegs«, das bestätigte gestern auf Anfrage der zuständige UBA-Fachbereichsleiter Klaus-Günther Steinhäuser. Die von der Dessauer Behörde eingesetzten »Feldbeobachter« sollen in 600 stichprobenartigen Einsätzen ermitteln, ob sich die Landwirte beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln an die Bestimmungen halten. Nach einer internen Anweisung sollen sie sich dabei zunächst nicht zu erkennen geben, damit die Landwirte nichts beschönigen können. Für den Einsatz hat das UBA 15 Studenten rekrutiert und nach einer Schulung als »Agenten« eingesetzt.
Anfangs trug die 350 000 Euro teure Aktion den Titel »Verdeckte Feldbeobachtung«. Das habe falsche Assoziationen ausgelöst, bedauert Steinhäuser. Außer dem Namen hat sich an dem Projekt jedoch nichts geändert. »Wir haben eine Reihe von Indizien, dass Landwirte gegen die Bestimmungen verstoßen«, sagte er.
Auch massive Kritik von CDU/CSU und FDP sowie vom Deutschen Bauernverband (DBV) hat Umweltminister Trittin nicht davon abgehalten, seine »Feldspione«, wie sie von den Bauern genannt werden, durch das Land zu schicken. »Typisch Trittin: Mit dieser Art von Ermittlungen und pauschalen Verdächtigungen wird ein ganzer Berufsstand kriminalisiert, unter Generalverdacht und Beobachtung gestellt«, erregt sich Hubertus Fehring, selbst Landwirt und CDU-Landtagskandidat aus dem Kreis Höxter.
Anfangs hätten das Umweltbundesamt und die zuständigen Bundesministerien die Existenz des bereits im Oktober 2003 mit einer öffentlichen Ausschreibung auf den Weg gebrachten Projekts sogar geleugnet, heißt es in einem Antrag (15/4935) der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum sofortigen Stopp der »Ausspionierungskampagne«.
Die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, CDU-Berichterstatterin im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, spricht von einem Skandal. Denn: »Verdeckte Ermittlungen kennt unser Rechtsstaat nur bei Schwerstkriminellen.« Wenn es um Visa-Anträge ukrainischer Schlepperbanden gehe, schenke die rot-grüne Bundesregierung sorglos Vertrauen. »Den Bauern aber begegnet sie mit massivem Misstrauen.« Das Trittin-Projekt sei »mangelhaft, wissenschaftlich fragwürdig und diskriminierend«.
Die Landwirtschaftskammern haben ihre Mitglieder inzwischen gewarnt. Sie raten nachdrücklich dazu, den selbsternannten »Umweltpolizisten« das Betreten der Betriebe und Felder nicht zu ge- statten und ihnen die Entnahme von Bodenproben zu verweigern. Zudem sei niemand dazu verpflichtet, auch nur eine der 21 Fragen, zu denen die UBA-Kontrolleure Auskunft verlangen, zu beantworten.
»Geben Sie Unterlagen, Rechnungen, Spritzmittelnamen usw. unter keinen Umständen heraus oder nennen hierzu Einzelheiten«, heißt es in einer Empfehlung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. »Achten Sie in Ihrem Betrieb darauf, dass Spritzmittel nicht unbeaufsichtigt bleiben. Es muss mit sogenannten Testdiebstählen gerechnet werden.«
Einmal mehr fühlt sich die Agrar-Fraktion zu Unrecht an den Pranger gestellt und überwacht. Obwohl sichere und hochwertige Ernten ohne Pflanzenschutzmittel kaum noch möglich seien, hätten die deutschen Landwirte den Aufwand an Wirkstoffen freiwillig und in eigener Initiative seit 1987 um mehr als 50 Prozent verringert. Die Landwirtschaft beteilige sich seit Jahren an dem Programm »Integrierter Pflanzenschutz« und am »Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz« des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
»Würden jeder Berufszweig und die Industrie ebenso verantwortungsbewusst handeln wie wir, hätten wir heute weniger Um- weltprobleme«, dessen ist sich der Borgentreicher Landwirt Dieter Urspruch (Gut Dinkelburg) sicher. Er wehrt sich allerdings gegen immer schärfere Auflagen speziell und häufig ausschließlich in Deutschland, während in den 24 anderen EU-Mitgliedsstaaten die Umwelt- und Verbraucherschutzstandards größtenteils weitaus niedriger seien. »Ich bin gerne bereit, Prüfern alles offen zu legen«, bietet Urspruch an. Denn auf Gut Dinkelburg werde jedes Pflanzenschutzprogramm genau dokumentiert. »Aber verdeckte Ermittler haben hier nichts zu suchen.«

Artikel vom 20.05.2005