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Verdacht auf Korruption erhärtet

Mindestens fünf Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit betroffen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Frankfurt/Köln (WB). In einem der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland sind nach Angaben der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Hauptzollamtes Augsburg mindestens fünf Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit verstrickt.

In Zusammenhang mit der Einschleusung von 1500 ungarischen Arbeitern, die als Billigkräfte in der Fleischindustrie, im Baugewerbe und der Metallverarbeitung eingesetzt wurden, sollen Mitarbeiter der Regionaldirektion Hessen in Frankfurt Vorteile genossen haben (diese Zeitung berichtete). »Es handelt sich hier um keinen Einzelfall«, sagte Zolloberinspektor Stefan Rester gestern dieser Zeitung. Die betroffenen Mitarbeiter der Regionalagentur sollen zu besonderen Anlässen, wie Weihnachten und an Geburtstagen, Aufmerksamkeiten von ungarischen und deutschen Scheinfirmen erhalten haben.
Den Verantwortlichen dieser Firmen werde vorgeworfen, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbs- und bandenmäßig die Ungarn eingeschleust zu haben. Rester: »Es handelt sich zumindest um Vorteilsannahme. Es kann aber auch von Bestechlichkeit und Korruption gesprochen werden.« Ob größere Geldbeträge geflossen seien stehe noch nicht fest. Die Aufmerksamkeiten seien von 1999 bis 2005 gewährt worden. Die Regionaldirektion Hessen ist für die Genehmigung von Werkverträgen zuständig, die von ungarischen, rumänischen, tschechischen und slowakischen Unternehmen in Deutschland ausgeführt werden. In der betreffenden Abteilung seien acht Mitarbeiter beschäftigt, sagte der Sprecher der Agentur Karl Brosig.
Bereits im Jahr 2003 sei ein Telefongespräch zwischen dem Mitarbeiter der ungarischen Firma Toth in Fulda und einem Beschäftigten der Regionalagentur abgehört worden. Der Ungar habe erklärt, dass er sich erkenntlich seien werde. 2004 sei die Staatsanwaltschaft informiert worden. Die Korruptionsermittlungen seien zunächst zurückgestellt worden, um die bundesweite Razzia gegen Lohndumping und Schwarzarbeit am 26. April nicht zu gefährden. Die Firma Toth habe Verwaltungsaufgaben für ein Unternehmen des in Haft sitzenden Ungarn Sandor S. aus Memmingen, wie die Beantragung von Werkverträgen, durchgeführt. Dies betreffe auch die Vermittlung von Arbeitern für den Schlachthof in München.
In zahlreichen Ermittlungsberichten sei der Korruptionsverdacht aufgeführt. Nach der Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen im Zuge der Razzia, die von der Sonderkommission (Soko) »Bunda« durchgeführt wurde, habe sich der Verdacht der Bestechlichkeit erhärtet.
Der Polizeiführer des bundesweiten Einsatzes der Soko, Christoph Thaler (Hauptzollamt Augsburg), erklärte, dass der Korruptionsverdacht wenige Tage vor der Razzia in einem Vermerk an die Staatsanwaltschaft nochmals bekräftigt worden sei. Bisher seien aber noch keine Arbeitserlaubnisse von der Bundesagentur für Arbeit zurückgenommen oder widerrufen worden. Dieses zögerliche Verhalten sei unverständlich, betonte auch der FKS-Sprecher bei der Oberfinanzdirektion Köln, Dr. Heinz Michael Horst.

Artikel vom 20.05.2005