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Bahn schließt Reisezentren

Neue Vertriebswege - eine Million Fahrkarten bei Lidl verkauft

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Die Deutsche Bahn (DB) will in ihren Reisezentren die Zahl der Mitarbeiter bis Ende 2005 auf 3100 reduzieren. Ferner soll es in Zukunft nur noch in 450 großen Bahnhöfen Reisezentren geben.
Tickets im Einkaufswagen: Der Ansturm in Ostwestfalen-Lippe auf Billig-Fahrkarten bei Lidl überraschte selbst die Deutsche Bahn.

Ende 2004 waren in den Reisezentren noch 3700 Ticketverkäufer beschäftigt. Den 600 überzähligen Beschäftigten sollen bei der Bahn andere Arbeitsbereiche angeboten werden. Derzeit gibt es bundesweit 500 Reisezentren - vor vier Jahren waren es noch 1000.
Als Alternative bietet die Bahn den Fahrkartenverkauf verstärkt in Automaten, freien Agenturen wie Kiosken, Reisebüros, per Telefon, im Internet oder an der Supermarktkasse an.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hat das Abspecken des Serviceangebotes kritisiert. Pro Bahn-Vorstandsmitglied Rainer Engel aus Detmold: »In Reisezentren werden Schalter geschlossen, kleine Verkaufsstellen ganz aufgegeben und Öffnungszeiten verringert.« Dies bedeute längere Wartezeit für die Reisenden.
Mit dem erstmaligen Verkauf von mehr als einer Million Billig-Tickets hatte die DB gestern einen Ansturm auf die Filialen des Discounters Lidl ausgelöst. Die Fahrscheine waren fast sofort vergriffen. Von den bundesweit 2600 Lidl-Niederlassungen meldeten viele bereits nach einer Stunde »ausverkauft«. Die meisten Kunden mussten enttäuscht wieder abziehen.
Die Fahrscheinhefte mit je zwei Tickets waren zum »Einsteigerpreis« von 49,90 Euro im Angebot. Sie gelten bis zum 3. Oktober für eine beliebig lange Reise innerhalb von Deutschland. Kinder bis zu sechs Jahren fahren kostenlos mit. »Wir sind von der Ansturm völlig überrascht worden«, sagte Bahnsprecher Gerd Felser (Düsseldorf). Der Verkauf im Supermarkt sei eine pfiffige Idee, um neue Vertriebswege auszuprobieren. Man hoffe, dadurch neue Kunden zu gewinnen. Im Juli werde es unabhängig von Lidl weitere attraktive Sonderangebote geben.
Die Verbraucherzentrale NRW hat hingegen die Billigtickets bei Lidl als »Lockvogel-Angebot« kritisiert. Es liege ein Fall von irreführender Werbung vor, da das Kartenkontingent vielfach sofort ausverkauft war.
Der Verkauf am Fahrkartenschalter müsse schneller funktionieren und dürfe nicht eine halbe Ewigkeit dauern, sagte Engel. Auch das Tarifsystem müsse dramatisch geändert werden. Es komme vor, das der Kunde für eine Verbindung sechs unterschiedliche Preise erhalte. Ferner müsse der Vertrieb von Fahrkarten aus einer Hand erfolgen. Wenn die Bahn den Ticketverkauf an eine freie Agentur abgebe, dürfe sie diesen als Konkurrenzangebot nicht noch neue Fahrkarten-Automaten vor die Tür stellen. Der Agenturbetreiber müsse entscheiden, ob zusätzlich Automaten notwendig sind.
Wirtschaft/ S. 4: Kommentar

Artikel vom 20.05.2005