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Jane zaubert - Tarzan staunt

Beim Stammtisch der Magier gelten die Gesetze der Logik nicht mehr

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Bodo ist schon 300 000 Jahre alt, kaspert aber immer noch ungezähmt durch die Gegend. Bodo ist ein Flaschengeist, und nur wenn er will, dass sein Herr und Meister ein Zauberkunststück hinkriegt, klappt es wirklich.

Bodos Chef ist Feinmechaniker in Bielefeld: Björn Schütz (34) be- und verzaubert seit zehn Jahren Kinder, die den vorwitzigen, aber leider unsichtbaren Geist aus der höchstens zwei Zentimeter großen Flasche heiß und innig lieben. Außerdem gehört Björn Schütz zu einer Zaubererstammtischrunde, deren Mitglieder jeden dritten Mittwoch im Monat in der Bürgerwache am Siegfriedplatz magische Informationen austauschen.
»Für 2 Cent.« - »Wie, für 2 Cent?« - »Na, für nur 2 Cent können Sie Zauberer werden - soviel kosten zwei einfache Gummibänder!« - »???« - Blitzschnell verknotet Ralph Diehm (50) aus Harsewinkel zwei solche Bänder bombenfest, so dass sie garantiert niemand mehr auseinanderbringt, murmelt ein Abrakadabra - da sind die Gummis getrennt.
Verblüffung.
Wie lange braucht man, bis man den Bogen raus hat? Lehrerausbilder Diehm kann's nicht beziffern, verrät aber: »Ich übe während langweiliger Konferenzen.« Die anderen reden, Diehm fummelt unter dem Tisch herum . . .
3000 Euro muss ein Zauberer hinblättern, der wissen will, wie er fachgerecht eine Jungfrau zersägt. »Klappt aber nur mit echten Jungfrauen«, behauptet Uwe Möller-Lömke (53). In Zeiten der Pille rausgeschmissenes Geld. Möller-Lömke, Sonderschullehrer aus Enger, wird von Kollegen »Em El« genannt, und weil alle entgeistert »O!« rufen, wenn er Kartoffeln und Zitronen aus Bechern purzeln lässt, in denen vorher garantiert nur Minifußbälle waren, entstand aus diesen drei Silben sein Künstlername: »Emmello«.
»Emmello«, der den Stammtisch im Herbst 2002 ins Leben rief, und seine Mit-Magier zersägen keine Frauen, sondern suchen den Kontakt zum Publikum: Stand-up, Close-up, Straßenzauberei sind ja auch viel intimer und viel kommunikativer. »Der schönste Lohn sind Applaus und die verblüfften Gesichter unserer Zuschauer«, sagt Lutz Comouth (46), Vermessungstechniker aus Bielefeld.
Frühere Generationen mussten, gähn, Goethes »Zauberlehrling« herbeten, Lutz »LuCo« Comouth trägt ein eigenes Gedicht vor, echt prickelnd, in dem es um Tarzans Jane geht, die im Urwald gerade Reizwäsche auf die Liane hängt. Ein Zapp, ein Zipp, und der BH ist ein Slip. Und die Affenmenschen rundum raufen sich ratlos das Zottelhaar.
Benjamin Schlüter (22), angehender Versicherungskaufmann aus Bielefeld, wurde über seinen Bruder Marco (29; Systemadministrator) infiziert: »Ich war Marcos Versuchskaninchen, musste zwar nie aus einem Zylinder hüpfen, aber Familienmitglieder sind diskreter und deshalb bei der Perfektionierung eines Kunststücks hilfreicher.«
Denn das ist Ehrensache: Einem Außenstehenden verrät so ein Magier nichts. Tipps gibt's dennoch: »Zum Einstieg sind handelsübliche Zauberkästen gut geeignet - vorausgesetzt, sie enthalten höchstens fünf, sechs Kunststücke. Wo mehr drin ist, ist Schrott drin«, versichert Björn »Tarabas« Stremming (19) - der Abiturient aus Hüllhorst ist selbst über einen Zauberkasten auf den Geschmack gekommen. Vor allem im Internet ist höchste Vorsicht geboten; seriöse Händler sind näher, als der Laie vermutet.
Altmeister Petrosilius Zwackelmann wusste schon, warum er eine Fee im Schlosskeller wegsperrte: Magierinnen sind eine bedrohte Spezies. Um so erfreuter ist die Runde, mit Claudia Schmidt (38) so ein seltenes Exemplar vorzeigen zu können. »Dabei macht die Zauberei doch einen Riesenspaß«, versichert die Programmiererin aus Bielefeld. Nicht nur die Auftritte, auch das Übungspensum: »Das funktioniert auch vor dem Fernseher«, verrät Carsten Gehsat (26), Diplomingenieur aus Lippstadt. »Oder man feilt während einer Busfahrt an seinem Vortrag«, fügt Diehm hinzu.
Eine Garantie für gutes Gelingen ist das nicht. »Ich hab mal einer schönen Frau den Brillantring weggezaubert«, erzählt Möller-Lömke. Der Schmuck sollte in einem Kästchen wieder auftauchen. Tat er aber nicht. »Ich wusste echt nicht, wo das vermaledeite Ding hin war.« Blut und Wasser schwitzend, beendete »Emmello« seine Darbietung, als die Dame ihren Ring zurückforderte. »Er kullerte dann aus meinem Taschentuch hervor . . .«
l Lust aufs Zaubern bekommen? Ernsthaft interessierte Nachwuchsmagier jeden Alters melden sich telefonisch bei Marco Schlüter (01 72 / 5 32 80 78). Oder noch besser: Am Sonntag, 26. Juni, beim Flohmarkt im Rahmen des Stadtteilfestes auf dem Siegfriedplatz treten unsere Zauberer live auf. Merken Sie sich schon mal eine Karte. Möller-Lömke & Co. ziehen diese unfehlbar aus einem Stapel. Hokuspokus? Nein, Mentalmagie.

Artikel vom 21.05.2005