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»Qualifiziert
und bodenständig«

Lob für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber in OWL

Von Dr. Reiner Wend
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 51 667 Euro pro Erwerbstätigem sowie einer einzelhandelsrelevanten Kaufkraft von neun Milliarden Euro zählt Ostwestfalen-Lippe zu den Top 10 der deutschen Wirtschaftsregionen. Diese hervorragende Bilanz ist vor allem auf drei Bereiche im Wirtschaftsleben unserer Region zurückzuführen: auf unsere Arbeitgeber, unsere Arbeitnehmer und auf die vielseitige und ausgeprägte Bildungs- und Forschungsstruktur der Region.

Zuerst einmal haben wir es in Ostwestfalen-Lippe mit einem ganz spezifischen Unternehmerschlag zu tun. Selbst viele der weltweit agierenden und namhaften Firmen sind weiterhin familiengeführt. Zugleich beheimatet Ostwestfalen eine Vielzahl von so genannten hidden champions. Diese kleinen und mittelständischen Betriebe mögen in der Öffentlichkeit einen weniger bekannten Namen besitzen. Auf ihren Spezialfeldern ist jeder einzelne von ihnen dennoch jeweils höchst innovativ und einflussreich, nicht selten sogar Weltmarktführer und erfolgreicher Exporteur. Auch mit ihrer Hilfe hat sich das ostwestfälische Außenhandelswachstum seit 1992 verdreifacht.
Gerade wegen dieser Mischung von intakten mittelständischen Strukturen und zahlreichen Global Players, die einer Familientradition und damit auch dem Wirtschaftsstandort OWL verbunden sind, handeln die meisten Firmen außerordentlich verantwortungsbewusst.
»Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll sogleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.« So lautet der Artikel 14/2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik. Dieser Verpflichtung zur Sorge nicht nur um den eigenen Gewinn, sondern auch um die Zukunft der Beschäftigten und der Region, kommen ostwestfälische Unternehmen durch ihre generationenlange Verankerung vor Ort besonders gut nach. Viele Betriebe kümmern sich intensiv um das Wohlergehen ihrer Belegschaft.
Nicht zuletzt aus diesem Grund funktioniert in Ostwestfalen die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgesprochen konsens- und ergebnisorientiert. Damit sind die ostwestfälischen Arbeitnehmer ein weiterer Grund für die wirtschaftliche Pros-perität unserer Region. Denn sie sind hoch qualifiziert und bodenständig zugleich. Gemeinsam setzen sie sich nicht bloß für ihren eigenen Arbeitsplatz und den eigenen Betrieb ein. Sie arbeiten immer auch daran, die gesamte Region wirtschaftlich voranzubringen.
Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist der Tarifvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung, den die IG Metall Ende 2003 mit zwölf Unternehmen abgeschlossen hat. Seitdem können Metallbetriebe, die über eine gute Auftragssituation verfügen, Personal von Unternehmen mit Beschäftigungsproblemen gewissermaßen »ausleihen«. So sollen zukünftig Kurzarbeit, Entlassungen oder die Absenkung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich reduziert werden. Mittlerweile ahmen andere Regionen dieses Modell nach. Auch auf Zukunftskongressen, etwa im Bereich der Metall- oder der Bekleidungsindus-trie, haben die Betriebsräte mit den Geschäftsführungen, der Politik und den Verbänden immer wieder über Möglichkeiten der Standortsicherung nachgedacht.
Die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer rund um den Teutoburger Wald resultiert aus einem letzten entscheidenden Standortvorteil: Mit zwei Universitäten und mehreren Fachhochschulen und Hochschulen verfügt OWL über eine vielseitige Bildungs- und Forschungsstruktur. Insgesamt mehr als 50 000 Studienplätze stehen hier zur Verfügung. Der rege Wissensaustausch zwischen den Hochschulen und den ostwestfälischen Unternehmen verschafft unseren Studenten bereits während des Studiums praktische Einblicke in die Arbeitswelt.
Bemerkenswert in OWL ist zudem die ausgesprochene Branchenvielfalt. Neben den Traditionsgewerben in der Elektro-, der Metall- und der Möbelindustrie entstehen in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Arbeitsplätze in der Kunststoffverarbeitung, der Elektrotechnik, der chemischen Industrie und in der Computerherstellung. Wegen dieses gesunden Branchenmixes und wegen der erwähnten drei hervorragenden Standortvorteile zählt Ostwestfalen-Lippe seit April 2004 zu einer von drei Modellregionen für Bürokratieabbau in der Bundesrepublik. In den kommenden Jahren werden hier ausgewählte Landesvorschriften außer Kraft gesetzt, um zu überprüfen, ob durch die Reduzierung der Vorschriften Beschäftigung erleichtert wird und neue Arbeitsplätze entstehen. Sollte dies der Fall sein, könnten entsprechende Gesetze nach Ablauf der Modellphase auch landesweit entfallen.
Trotz oder gerade wegen der bemerkenswerten Erfolge der vergangenen Jahre dürfen sich alle Verantwortlichen in Politik, Unternehmen, Betriebsräten und in der Forschung nicht zurücklehnen. Vielmehr muss es gelingen, unser Potenzial noch stärker als bislang auszuschöpfen. Ungeachtet der rasanten Steigerung der Außenhandelsquote im vergangenen Jahrzehnt liegt Ostwestfalen mit seinem Export von knapp mehr als 30 Prozent weiterhin unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt. Vor allem im Ausland müssen wir noch zusätzliche Märkte erschließen.
Und auch die Gesundheitswirtschaft haben wir lange Zeit unterschätzt. Bereits jetzt sind in diesem Sektor allein in OWL etwa 87 000 Menschen beschäftigt. Zum Vergleich: Der Bergbau schafft in seiner Traditionsheimat NRW demgegenüber mittlerweile nur noch 35 000 Stellen. Angesicht einer alternden Gesellschaft wird die Gesundheitsbranche auch zukünftig stetig weiter an Bedeutung gewinnen. Durch intensive Förderung und Unterstützung dieses Sektors, könnten hier in Zukunft zahlreiche neue Arbeitsplätze für Ostwestfalen-Lippe entstehen.
Wenn wir uns in OWL weiterhin auf unsere traditionellen Stärken einer konsensorientierten und hoch qualifizierten Arbeitnehmerschaft sowie einer verantwortungsbewussten Arbeitgeberschaft besinnen und wenn wir die Chancen neuer Zukunftsbranchen und des Außenhandels nutzen, dann geht es unserem Wirtschaftsstandort auch in den kommenden Jahrzehnten gut.

Artikel vom 26.05.2005