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Punk bis zum bitteren Ende

Die Toten Hosen auf »Friss oder stirb«-Tour in Bielefeld umjubelt

Bielefeld (Rga). Es herrscht eine Stimmung wie im Fußballstadion. Die Massen grölen, trinken, und feiern ihre Mannschaft, die von dem Stürmer Campino angeführt wird. Doch ganz im Gegensatz zum Lieblingsverein Fortuna Düsseldorf sind »Die Toten Hosen« auch bei diesem »Auswärtsspiel« erstklassig.

Zwei Dekaden Punk-Rock, ausgedehnte Tourneen und geschätzte fünf Millionen Liter Altbier haben bei den Toten Hosen kaum Spuren hinterlassen. Gleich zu Beginn gehen sie in die Offensive, von Altersmüdigkeit keine Spur. Obwohl die Texte teils tiefgründiger werden, sind sie nach wie vor Garant für extreme Shows der freucht-fröhlichen Art.
In diesem Sinne kochte die Stimmung auch an diesem Abend in der Seidenstickerhalle von Beginn an über. Triefender Schweiß, literweise Bier in extra kreierten »Toten Hosen«-Bechern und nach Luft japsende Fans in den ersten Reihen; ein wenig Kondition brauchte man schon, um auch nach gut zwei Stunden noch aufrecht stehen zu können. Echte Kultsongs wie »Wünsch dir was« oder »Hier kommt Alex« verwandelten die prallgefüllte Halle in einen Hexenkessel. Das über siebentausend Mann starke Publikum geriet derart außer Rand und Band, dass die Sicherheitskräfte sich über mangelnde Arbeit nicht beschweren konnten.
Natürlich präsentierten sich die meisten der Hosen-Anhänger äußerst textsicher. Und das, obwohl keineswegs nur alteingesessene Hosen-Fans das Bild an diesem Abend prägten. Die Musik der Toten Hosen ist generationenübergreifend. Angesichts der Tatsache, dass Hosen-Veteranen den Prozess des Erwachsen-Werdens allmählich abschließen und mittlerweile lieber zu Hause bleiben, ist es insbesondere das junge Publikum, das sich vom Punk angesprochen fühlt.
Obwohl die Toten Hosen Popstars sind, besitzen sie kaum VIP-Erkennungszeichen in Form von Allüren, Arroganz und Selbstüberschätzung. Sie lieben Fußball, insbesondere die Fortuna, trinken und suchen die Kommunikation mit der Menge.
Und so feierten alle Anwesenden eine gemeinsame Party, bei der keiner, auch nicht die Band, sich auf irgendwelche Weise hervorzuheben versuchte. Einzig und allein die Energie, die Punk-Musik freisetzt, wurde bis bis zum Ende des Abends genossen.
Die Stücke reichten von Klassikern wie »Pushed again« und »All die ganzen Jahre« bis hin zu neueren Songs wie »Wahlkampf« und »Ich bin die Sehnsuch in dir«. Für eine kurze Verschnaufpause sorgte etwa das melancholische »Nur zu Besuch«, das nebenbei die ernste Seite der Spaßkapelle zeigte. Insbesondere der kleine Schuss »Metal« sorgte jedoch dafür, dass der Punk der Toten Hosen zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen ließ.
Das Erfolgsrezept der Band ging auf: Gelungenes Entertainment, gepaart mit einer guten Nähe zum Publikum, sorgte für eine Atmosphäre, die ansonsten nur ein gutes Fußballspiel zu erzeugen vermag.

Artikel vom 18.05.2005