18.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Rüttgers gibt sich angriffslustig

Vertauschte Rollen im zweiten TV-Duell: Steinbrück erstaunlich moderat

Bochum (dpa). Vertauschte Rollen im zweiten TV-Duell: Der ansonsten eher moderat auftretende Herausforderer Jürgen Rüttgers (CDU) zeigte sich diesmal mehr als Angreifer, während sich NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) dieses Mal verbindlicher gab.
Am Sonntag wird in NRW ein neuer Landtag gewählt.

Gleich zu Beginn fuhr Rüttgers schweres Geschütz auf: die höchste Arbeitslosigkeit seit dem 2. Weltkrieg, 110 Milliarden Euro Schuldenrekord, jährlich 5 Millionen Stunden Unterrichtsausfall und ein unsoziales Bildungssystem hätten 39 Jahre SPD im größten Bundesland gebracht. Mit Hilfe eines Stapels von Karteikarten konfrontierte er Steinbrück immer wieder mit nicht erreichten Zielen in der Wirtschafts-, Arbeits- und Haushaltspolitik.
Anders als in der ersten TV-Runde fiel Steinbrück seinem Gegner aber nicht in einem Stakkato von Gegenargumenten ins Wort, sondern parierte kontrollierter und mit Humor. »Seien Sie doch nicht so nervös, Herr Rüttgers«, wiederholte er schmunzelnd einen Ratschlag, den Rüttgers ihm in der ersten TV-Runde mit auf den Weg gegeben hatte. Und der frei sprechende Amtsverteidiger stichelte gegen Rüttgers Stichwort-Kartei. »Ich hätte gern die Zitaten-Sammlung von Ihnen. Ihr Zettelkasten ist hoch interessant.«
Die Fragen des WDR-Chefredakteurs Jörg Schönenborn und der ZDF-Redakteurin Maybrit Illner kreisten vor allem um den Arbeitsmarkt. Einig sind beide Spitzenkandidaten in zwei Punkten: In Deutschland müsse für das gleiche Geld wieder mehr gearbeitet werden.
Angesprochen auf Meinungsverschiedenheiten mit ihren potenziellen Koalitionspartnern von FDP beziehungsweise Grüne betonten beide, dass sie sich nicht vom kleineren Bündnispartner herumkommandieren lassen werden. Rüttgers will nicht so radikal aus den Kohle-Subventionen aussteigen wie die FDP; Steinbrück will die von den Grünen propagierte Windkraft-Förderung zurückschrauben.
In der Kapitalismus-Debatte spielte Rüttgers den früheren NRW-Ministerpräsidenten und Alt-Bundespräsidenten Johannes Rau aus. Während Rau »Versöhnen statt Spalten« wollte, arbeiteten Steinbrück und SPD-Chef Franz Müntefering am Gegenteil, in dem sie Unternehmer als Heuschrecken, als marktradikal und asozial beschimpften, kritisierte Rüttgers. Im Schlusswort warb er mit ernstem Blick für die Abwahl von Rot-Grün. »Sie haben die Chance, den Wechsel herbeizuführen. Wir schaffen den Neuanfang.«
Dagegen appellierte Steinbrück an die Macht des Wählers und mahnte: »Wenn ich als Ministerpräsident nicht alles rosarot male, dann glauben Sie auch nicht denen, die alles schwarz in schwarz malen. Wenn Sie Steinbrück haben wollen, müssen Sie die SPD wählen. Und wenn Sie die SPD wählen, kriegen Sie Steinbrück.«

Artikel vom 18.05.2005