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Islam-Terror bleibt Hauptgefahr

Schily legt Verfassungsschutzbericht vor - »NPD öffnet sich Neonazis«

Berlin (dpa). Der islamistische Terrorismus bleibt nach den Worten von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eine der Hauptgefahren für die innere Sicherheit in Deutschland.

Daneben dürfe aber der Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht vernachlässigt werden, sagte Schily bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2004 gestern in Berlin. Die 2003 einem Verbot entgangene NPD öffnet sich nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer zunehmend für Neonazis.
Bei der Bedrohung durch extremistische Islamisten gebe es keine wesentlichen Veränderungen, unterstrich Schily. Der abgewendete Anschlag auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi während eines Besuchs im Dezember zeige, dass Deutschland Teil eines weltweiten terroristischen Gefahrenraums sei. Derzeit gebe es 171 Ermittlungsverfahren mit islamistisch-terroristischen Hintergrund.
Die Zahl der Anhänger und Mitglieder islamistischer Organisationen ist dem Bericht zufolge von 30 950 auf 31 800 gestiegen. Das entspricht einem Prozent der mehr als drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime. Die türkisch-islamistische »Milli Görüs« ist mit 26 500 Mitgliedern unverändert die mit Abstand größte Organisation.
Der Irak bleibe Kristallisations-punkt im Dschihad (Heiliger Krieg gegen den Westen), heißt es im Verfassungsschutzbericht. Die dortige Situation habe für Islamisten, insbesondere für die Terrorgruppe El Kaida, eine erhebliche Mobilisierungswirkung.
Zweiter Schwerpunkt des Berichts ist der Rechtsextremismus. Die Wahlerfolge der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg sowie das »skandalöse Auftreten« der NPD-Abgeordneten im sächsischen Landtag hätten »für alle erkennbar werden lassen, dass es keine Toleranz für Feinde der Verfassung geben kann«, sagte Schily. Die DVU zählte mit knapp 11 000 Mitgliedern weiterhin die meisten Anhänger unter den rechtsextremistischen Parteien.
Zwar registrierten die Verfassungsschützer mit 40 700 insgesamt weniger Rechtsextremisten als 2003 - zugleich aber verstärkte sich der Trend zum Neonazismus, der sich am historischen Vorbild des Nazi-Reichs orientiert. Die Zahl der Neonazis wuchs um ein Viertel auf 3800. 10 000 Rechtsextremisten stufte der Verfassungsschutz als gewaltbereit ein.
Bezogen auf die Einwohnerzahl stehen Brandenburg und Sachsen- Anhalt an der Spitze bei politisch motivierten rechten Gewalttaten. Den Einstieg in die gewaltorientierte rechtsextremistische Szene finden viele Jugendliche laut Bericht über die Skinhead-Musik. Mit 80 Konzerten habe der regionale Schwerpunkt in Ostdeutschland gelegen.
Zwischen NPD und Neonazis zeichne sich seit 2004 eine Annäherung ab - führende Neonazis hätten sich organisatorisch in die Partei einbinden lassen. Durch ihren Einzug in den sächsischen Landtag habe die um 300 auf 5300 Mitglieder angewachsene Partei innerhalb des Rechtsextremismus an Bedeutung gewonnen. Mit ihrem Konzept einer »deutschen Volksfront» sei die NPD zum Mittelpunkt für die Einigungsbemühungen im rechtsextremistischen Lager geworden. Als hochgefährlich wertete Schily Bemühungen der NPD, sich ein bürgerliches Ansehen zu verschaffen.
Otto Schily nannte es eine »schmerzliche Tatsache«, dass die NPD nach dem gescheiterten Verbotsverfahren weiter eine legale Partei sei. Wer den »Superverbrecher Hitler als großen Staatsmann« bezeichne, »ist für uns sehr schwer oder kaum erträglich«, sagte Schily zu entsprechenden Äußerungen des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt.

Artikel vom 18.05.2005