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Auch bei Festkommers:
Frau wenig besungen

100 Jahre Burschenschaft Normannia-Nibelungen

Bielefeld/Steinhagen (gge). »Schwenkt der Schläger blanke Klingen, hebt die Becher, stoßet an!« Vereint zur guten Stunde stimmten SamstagabendÊ im Steinhagener Hotel Quellental rund 90 Mitglieder und Gäste der Burschenschaft Normannia-Nibelungen zu Bielefeld fröhliche Lieder an. Mit einem Festkommers feierte die einzige Burschenschaft an der Universität Bielefeld ihr 100-jähriges Bestehen. Das Motto der Corona: »Vivat-Crescat-Floreat (wachse, blühe, gedeihe)«.

Festredner war Raimund Lang, Studenten-Historiker aus Hamburg. Sein Thema: »Die Frau im Studentenlied«. Fazit: Sie kommt zu kurz. Rund 800 singbare Weisen hat die studierende Jugend im Lauf der Zeit hervorgebracht. »Das Studentenlied hat sich nicht weiter entwickelt«, stellte Lang fest, »einmal abgesehen vom Protestsong der 68er-Bewegung«. Trinken, Essen und Kämpfen sind bis heute die beherrschenden Themen vor allem jener Bildungs-Elite, die sich Begriffe wie »Gott, Ehre, Freiheit und Vaterland« auf ihre grün-weiß-goldenen Fahnen geschrieben hat.
Der Festkommers im Quellental begann mit dem Einzug der Chargen im vollen Wichs zu leisester Marschmusik. Karsten Gutjahr (25) für die Aktivitas hieß auch die Abordnungen befreundeter Burschenschaften willkommen, Willi Flöttmann (68) vom AltherrenverbandÊ hielt die Bundesrede. »Ich fühle mich auch heute noch der christlichen Ethik und Morallehre sowie meinem Land verbunden«, meinte der Diplom-Ingenieur und ehemalige Leiter der MAN-Werke in Nürnberg. Demokratie und Toleranz zu leben, die Menschenrechte auch im Streitgespräch zu achten, dafür tritt er gerne ein.
Die Burschenschaft Normannia-Nibelungen wurde am 15. Mai 1905 am Polytechnikum in Riesa an der Elbe von einem Deutschen, einem Dänen, einem Finnen und einem Schweden gegründet. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs schloss das Polytechnikum Riesa seine Pforten und wurde nach dem Krieg nicht wieder eröffnet. Die Burschenschaft verlegte ihren Sitz an das Polytechnikum Strelitz in Mecklenburg. 1935 verboten die Nationalsozialisten studentische Verbindungen und damit auch die Burschenschaft Normannia-Nibelungen, die sich erst 1949 als Altherrenverband rekonstruieren konnte.
In der Ingenieurschule Lage/Lippe hatte sich eine von der britischen Militärregierung genehmigte »Christliche Burschenschaft Nibelungen« gegründet. Mit dem Altherrenverband der Normannia fusionierte man 1953 zur jetzigen »Burschenschaft Normannia-Nibelungen«. 1959 verlegte sie ihren Sitz von Lage an die neu ins Leben gerufene Ingenieurschule Bielefeld, heute Fachhochschule. Seit 1987 betrachtet die Korporation die Uni Bielefeld als ihre endgültige Heimat. Sie ist auch Mitglied der Deutschen Burschenschaft, dem Dachverband aller Burschenschaften an deutschen Universitäten und Hochschulen.
Die schlagende Verbindung ist laut Satzung einer christlichen Grundhaltung, den Zielen der Urburschenschaft von 1815 und einem geeinten und demokratischen Deutschland und Europa verpflichtet. In diesem Sinne versucht sie auch, ihre studentischen Mitglieder zu prägen. Auch in Bielefeld gab es übrigens bedeutende Burschenschaftler. Einer von ihnen war Rudolf Stapenhorst, seit 1895 Bürgermeister und von 1911 bis 1932 Oberbürgermeister der Stadt. Nach ihm ist die Stapenhorststraße benannt.

Artikel vom 17.05.2005