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Schönheitswahn der Gesellschaft entlarvt

Schultheaterwoche endet - Wanderpokal nach Lemgo

Von Katrin Heine
Bielefeld (WB). Ein Gedicht von Erich Fried und der Medienrummel um vermeintliche Schönheit: Schüler der Gertrud-Bäumer-Schule führten zum Finale der 8. Schultheaterwoche ihr Stück »Die Hässlichen werden geschlachtet...« auf. Acht Schulen hatten die Arbeit ihrer Theatergruppen im Theater am Alten Markt (TAM) gezeigt. Den Wanderpokal der Veranstaltung durfte das Engelbert-Kaempfer-Gymnasium Lemgo mit nach Hause nehmen.

Die Bielefelder Jungdarsteller begannen bedrohlich: mit Holzstöcken, die sie allmählich immer fester zusammenschlugen, und Zeilen aus dem Fried-Gedicht, die sie immer lauter in den Theatersaal zischten. »Die Hässlichen werden geschlachtet - die Welt wird schön!« »Die Dummen werden geschlachtet - die Welt wird weise.« So gelang es den Schülern gleich zu Beginn, das Publikum in ihren Bann zu ziehen.
Mit vier Szenen, selbst geschrieben und inszeniert, entlarvten sie dann den Schönheitswahn der Gesellschaft. Der Mensch als Ersatzteillager, der alles, was ihm an seinem Körper nicht gefällt, einfach austauscht. »Ich hätte gerne einen Po wie Jennifer Lopez«, verlangt eine Patientin (Anna Nolde) beim Schönheitschirurgen (Karl Patrick Wessel). »Wir sollten auch ihren Busen vergrößern und das hässliche Fett an ihren Oberschenkeln absaugen«, schlägt dieser der gertenschlanken Frau vor. Neue Ohren und eine neue Nase empfehle er ebenfalls.
Die Theater-AG der 10. Klassen der Bielefelder Schule hat seit den Sommerferien ihre »Werkstattarbeit« entwickelt. Die durchgehend gute Leistung der Schauspieler sorgte für einen vergnüglich-nachdenklichen Abend. Lehrerin Anette Jupke fördert vor allem die Improvisation. Die Texte des Schülerensembles wirkten deshalb nie auswendig gelernt.
Ein wichtiges Kriterium auch für die Jury, die nach dem Stück den Wanderpreis der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld verlieh. »Wir wollen keine Karaoke, sondern dass die Schüler die Stücke wirklich erleben«, erklärte Jurymitglied Hiltrud Böcker-Lönnendonker, die zusammen mit Theaterpädagoge Carsten Thuesen, Pädagogikstudent Carsten Ansorge, Lehrerin Andrea Wittler, Dramaturg Gerd Muszynski und einem jeweils wechselnden Paten aus dem Ensemble des Theaters Bielefeld alle Vorführungen der Schultheaterwoche besuchte.
»Die Veranstaltung ist aber kein Wettbewerb. Im Mittelpunkt steht der Zugang zum Theater für die Schüler. Sie sollen nicht nur das zukünftige Publikum sein, sondern auch das gegenwärtige«, so Theaterpädagoge Carsten Thuesen. Die Schüler des Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums Lemgo, die den Wanderpreis für ihr Stück »Wolken« in diesem Jahr gewannen, befanden sich bei der Preisverleihung zum Schüleraustausch in Frankreich. Ihr Lehrer Walter Spethmann appellierte an die Vorstellungskraft der Zuschauer und erntete Beifall für sein unsichtbares Ensemble. Eine spannende Woche Schultheater im TAM ging so theatralisch zu Ende.

Artikel vom 17.05.2005