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»Gottes Geist schafft helle Köpfe«

Wort zum Pfingstfest aus der Evangelischen Landeskirche von Westfalen

Von Oberkirchenrätin Doris Damke
Es war ein besonderer Event - Pfingsten vor knapp 2000 Jahren. Menschen aus vielen Milieus mit unterschiedlichen Sprachen waren zusammen: Junge und Alte, Schwarze und Weiße, Arme und Reiche. Sie alle gerieten außer sich und wurden begeistert.
Oberkirchenrätin Doris Damke, Westfälische Landeskirche

Auch heute können wir Events erleben. Sie werden inszeniert, oft geprobt, mit neuester Technik unterstützt. Doch ob sie gelingen?
Ob sie wirklich die Massen zu erreichen imstande sind, selbst dann wenn Arenen, Hallen, Stadien bis auf die letzten Plätze ausverkauft sind?
Zu Pfingsten in Jerusalem vor fast zwei Jahrtausenden ist auch ohne Technik der Funke übergesprungen. Menschen wurden begeistert - nicht durch Hightech, sondern durch den heiligen Geist. Und der wirkte merkwürdig.
Am Anfang einfach durch Getöse, durch »ein Brausen, wie wenn ein gewaltiger Wind daherfährt...«, erzählt die Bibel. Eigentlich versteht man dabei sein eigenes Wort nicht mehr, schon gar nicht das des anderen. Und doch liegt gerade darin das Geheimnis von Pfingsten.
Durch das Pfingstereignis wurde nämlich erst einmal der menschliche Redefluss unterbrochen. Durch Gottes Wirken wird das Gerede und das Geschwätz der geistlosen Welt gestoppt. Zu Pfingsten, so wird erzählt, findet die sprichwörtlich gewordene babylonische Sprachverwirrung erst einmal ein Ende, in der ein jeder nur für sich selbst redet.
Darum muss es wohl den heilsamen Krach und das Getöse von Pfingsten geben. Immer wieder. Wer, wie die Leute in Babel, nur auf seine eigene Leistung setzt (1. Buch Mose, 11,1-9) baut sich eine Welt aus großen, manchmal aus wirren, auch aus demagogischen Worten. Die Bewohner Babels reden, aber sie reden aneinander vorbei. Sie versprechen viel und täuschen zugleich sich und andere.
Ich brauche hier gar nicht konkreter zu werden, jede und jeder wird aus Beispiele genug vor Augen haben. Nicht nur durch die Erinnerung an Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkriegs, dessen Ende vor 60 Jahren wir in diesen Tagen bedenken.
In der geistlosen Welt wird viel geredet und nichts gesagt.
Der das Weltgerede unterbrechende Krach ist nicht alles. Mit ihm beginnen sich die Dinge zu ordnen. Dank des guten Geistes Gottes. Den kann man nicht sehen, nur in Bildern beschreiben. »Wie mit Feuerzungen« erscheint er auf den Köpfen der begeisterten Menschen. Er verleiht ihnen eine neue Sprache. Der Geist Gottes erfüllt und begabt Menschen, mit anderer Zunge zu reden, verständlich, aufrichtig, wahr, am Gegenüber interessiert.
Wo Menschen zu Menschen reden, gehört und verstanden werden, da geschieht ein Sprachwunder. Da wirkt der heilige Geist.
Aber natürlich, seine Wirkung kann verwechselt werden. Gottes Geist lässt zu, dass die, die wahr reden, für Trunkenbolde gehalten werden. Gottes Geist unterwirft keinen. Er unterdrückt skeptische Fragen nicht. Zu Pfingsten in Jerusalem begeben sich die »begeisterten« Menschen nicht etwa auf einen esoterischen Trip nach innen. Im Gegenteil. Sie stellen sich auf den Marktplatz und erzählen von den großen Taten Gottes, der Leben in Gerechtigkeit und Nächstenliebe, Würde und Freiheit seiner Menschen will.
Diese Menschen sprechen von Jesus Christus. Darum reden sie zugleich von den Werten menschlichen Zusammenlebens und von einem Glauben und Vertrauen, das sich lohnt, weil es Leben befördert.
Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen, so begann Goethe 1793 seinen »Reineke Fuchs«. Doch am christlichen Pfingstfest feiern wir mehr als ein frühlingshaftes Naturerwachen. Wir feiern, dass Gott seinen guten Geist sendet. Und der klärt auf und macht Leute mit hellen Köpfen. Der bestärkt in dem wagemutigen Vertrauen, dass Menschen sich verstehen und verständigen können. Dieser Geist Gottes macht Mut zur Freiheit des Redens, Denkens und Urteilens. So macht er uns zu Menschen mit hellen Köpfen. Die brauchen wir. Dringend. Ein guter Grund, auch in diesem Jahr Pfingsten zu feiern.

Artikel vom 14.05.2005