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»Bei rot-grüner Niederlage Neuwahlen in Berlin fällig«

Heute im Gespräch: FDP-Chef Guido Westerwelle

Münster (WB). Wenn Rot-Grün in NRW fällt, sollte Gerhard Schröder im Bundestag den Weg für Neuwahlen freimachen, das hat FDP-Chef Guido Westerwelle im Interview mit Reinhard Brockmann erklärt.Guido Westerwelle, Chef der FDP auf Bundesebene, greift in den NRW-Wahlkampf ein.

Haben die fünf Milliarden Euro aus Moskau Finanzminister Eichel den Kopf gerettet?Westerwelle: Die Vorstellung, dass die Zahlungsfähigkeit einer deutschen Regierung einmal von russischem Geld abhängig wird, hätte ich bis zu dieser Woche in die Abteilung schlechter Witze gesteckt. Die fünf Milliarden aus Russland fallen ja nicht als Geschenk vom Himmel, sondern fehlen uns später, denn die Rückzahlungen ausländischer Schulden sind natürlich langfristig bereits verplant. Deshalb kann für ernsthafte Wirtschafts- und Finanzpolitiker von Entwarnung keine Rede sein.

Und die Finanzen in NRW? Westerwelle: Allein mit den 70 Millionen Euro, die unter Rot-Grün in Regierungsgutachten über zweifelhafte Fragen gesteckt wurden, hätten 1400 Lehrer ein Jahr lang bezahlt werden können. NRW hat nicht in erster Linie zu wenig Geld, sondern Rot-Grün gibt die Gelder für die Ideologie aus. Wir wollen Arbeit Vorfahrt geben.

Die schlechte Nachricht von Deutschlands Platz 25 in der EU ist für sie auch eine gute, wie das?Westerwelle: Wenn alle anderen EU-Länder mit der Weltkonjunktur besser klar kommen als das rot-grün regierte Deutschland, dann sind unsere Probleme offenbar zu einem großen Teil hausgemacht. Das heißt andererseits, wir haben es mit einer neuen, wachstumsorientierten und technologiefreundlichen Politik auch selbst in der Hand, ob neue Arbeitsplätze und neuer Wohlstand in Deutschland entstehen und nicht woanders.

Haben Sie Müntefering schon gedankt dafür, dass er ihnen eine Vorlage geliefert hat?Westerwelle: Von Herrn Münteferings starken Worten hat vielleicht die deutsche Linke ein gutes Gefühl im Bauch, aber kein einziger Arbeitsuchender einen neuen Job. Investoren, die Arbeitsplätze schaffen, muss man einladen, anstatt sie zu beschimpfen. Das ist keine Frage des Wahlkampfes, sondern der wirtschaftspolitischen Vernunft.

Selbst die Union kontert, nicht einmal die FDP käme ohne Funktionäre aus.Westerwelle: Wenn Herr Bsirske von Verdi wegen 18 Minuten längerer täglicher Arbeitszeit im sicheren öffentlichen Dienst einen Streik vom Zaun bricht, geht das an den Interessen des Landes und der Menschen vorbei. Ich bin für starke Arbeitnehmervertreter in den Betrieben, aber gegen Funktionäre, die von ihren Zentralen aus eine wirklichkeitsfremde Tarifpolitik zulasten von Arbeitsplätzen machen. Deshalb wollen wir den starren Flächentarif aufbrechen zugunsten von mehr betrieblichen Bündnissen zwischen der Belegschaft und der Unternehmensführung.

»Drittelparität« ist sprachlich unmöglich, politisch auch?Westerwelle: Es muss Schluss damit sein, dass in den Aufsichtsräten vor allem Gewerkschaftsfunktionäre mitbestimmen, die in dem Betrieb noch nicht eine Minute gearbeitet haben. Wir möchten stattdessen echte Belegschaftsvertreter in den Aufsichtsräten haben, denn die wissen aus Erfahrung vor Ort am besten, was für den Betrieb und die Arbeitsplätze gut und richtig ist.

Jürgen Rüttgers wünscht sich am 23. Mai »Blumen von Angie« aus Berlin. Und Sie, was kommt für Sie nach dem erhofften Wahlsieg?Westerwelle: Wenn Rot-Grün in Düsseldorf fällt, sollte Gerhard Schröder im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage stellen und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Eine neue Bundesregierung wäre das beste Beschäftigungsprogramm für Deutschland.

Artikel vom 17.05.2005