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Leitartikel
Missmut, wo bist du?

Ein Freitag auf der Sonnenseite


Von Rolf Dressler
Was für ein schöner Hauch von Frühling - und das, man denke, sogar an diesem vorpfingstlichen Freitag, dem 13. Mai anno 2005. Ob in Gütersloh, Detmold, Paderborn, Lübbecke, Herford, Höxter oder Warburg, allüberall zog es Tausende geradezu magnetisch auf die besten Plätze und Stühle. Aufgestauter Sonnenhunger will endlich, endlich gestillt sein.
Aber auch übers Jahr kehrt ein prägendes Bild erstaunlicherweise immer wieder: Ganz überwiegend jüngere Leute bevölkern oft sogar schon zur Frühstückszeit Bistros, Cafés und besonders angesagte »Coffee-Shops«. Und erst recht erweisen sich in den Mittags- und Nachmittagsstunden wahre Scharen von Schülern und Studenten, Einkaufsbummler, Mütter mitsamt Nachwuchs, Bürobedienstete und viele andere »Werktätige« als ganz besonders fröhliche und zahlungskräftige Konsumierer. Woraus geschlossen werden darf, dass auch durchaus beträchtliche Teile der 16 bis 35 Jahre jungen Schulbankdrücker, Studierenden und Auszubildenden das dafür nötige Kleingeld, gern auch in größeren Scheinen, zur Verfügung haben.
Nun darf natürlich niemand dies alles über den berühmten einen Kamm scheren. Denn erstens würde er sich sofort verdächtig machen, vom Tugendpfad der deutsch-typischen Jammeritis abweichen zu wollen. Und zweitens werden sämtliche oben näher benannten Konsumenten-Gruppen natürlich entrüstet den Eindruck von sich weisen, sie hätten so viel »Kohle« im Portemonnaie wie leibhaftige, wenn auch nicht richtig große »Kapitalisten«.
Apropos. Wohl kaum irgendwo an den wohlig-warm besonnten Freiluft-Plätzen und Straßen von Paderborn, Minden, Herford, Gütersloh, Lemgo, Höxter oder Bielefeld dürfte jene wirklich sehr bemerkenswerte Besitzstandserhebung Gesprächsgegenstand gewesen sein, die zufällig an diesem Freitag vor Pfingsten in Umlauf kam. Dabei müsste deren Kernaussage uns alle hier in Deutsch-Missmutland wenigstens für einen kurzen Augenblick aufmerken und innehalten lassen. Denn im gewogenen Durchschnitt verfügen die privaten Haushalte über nicht ganz unerhebliche 3753 Euro netto pro Monat. Bis zu 72 Prozent aller Familien mit Kindern wohnen und leben bereits in jungen Jahren in einem eigenen Haus. Ob es - vermutlich in der minderen Zahl der Fälle - schon selbst erarbeitet wurde oder Eltern, Großeltern etc. dazu maßgeblich etwas beigesteuert haben; also ausgerechnet diejenigen, die sich nicht selten den dreisten Vorwurf anhören müssen, sie verfrühstückten die Zukunft der Generationen von morgen.
Verrückte alte, neue Zeit. Aber irgendwie und irgendwann kehrt eben alles wieder. Das lehrt die Menschheitserfahrung - dazu bedarf es nicht einmal eines skurrilen Anti-Kapitalismus-Geisterfahrers wie Franz Müntefering.
Er und wir Wohlständler alle sollten die Kirche im Dorf lassen. Gerade auch zu Pfingsten.
In diesem Sinne: Frohe, besinnliche Feier- und Nachdenktage.

Artikel vom 14.05.2005