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Punkt an Woody Allen

»Match Point« sorgt in Cannes für den ersten Glanz

Von Karin Zintz
Cannes (dpa). Woody Allen hat den Filmfestspielen in Cannes mit seinem Woody-untypischen Film »Match Point« den ersten Höhepunkt beschert. Gleichzeitig hat er zum ersten Mal seiner Lieblingsstadt Manhattan den Rücken gekehrt.

»Es war so wunderbar, in London zu arbeiten«, sagte der 69 Jahre alte Amerikaner. »In Manhattan ist es im Sommer heiß, und die Sonne bringt mich um. In London ist es kühl, der Himmel ist grau - einfach perfekt für mich.« Doch nicht nur das englische Wetter hat den Oscar-Preisträger begeistert. »Für amerikanische Ohren klingt jedes Wort aus dem Mund eines britischen Schauspielers schlichtweg zauberhaft. Die Briten sind da einfach im Vorteil.«
Die Vorteile der britischen Produktion mit dem Hollywood-Star Scarlett Johansson als einziger Amerikanerin in der Besetzung haben Allen offensichtlich beflügelt: »Match Point« ist einer seiner besten Filme seit langem. Die bei Allen oft typischen neurotischen Selbstbezüge fehlen völlig.
Er hat eine Geschichte im Stil der klassischen Gesellschaftsdramen des 19. Jahrhunderts - der Hauptdarsteller liest nicht umsonst »Schuld und Sühne« von Dostojewski - packend und trickreich in die britische Upper Class der Gegenwart versetzt. Ist die Handlung schon hoch emotional, wird sie dramaturgisch noch von den Schicksalsmomenten der italienischen Oper spannend gehalten.
Jonathan Rhys Meyers spielt einen Tennistrainer aus kleinen Verhältnissen, der die Chance seines Lebens ergreift und innerhalb kurzer Zeit als Schwiegersohn einer reichen Familie akzeptiert wird. Er wird gefördert, er strengt sich an, passt sich an. Und er verleugnet sich. Extrem wird die Situation durch seine leidenschaftliche Affäre mit Nola, einem erfolglosen amerikanischen Starlet in London. Als Nola schwanger wird, scheint alles gefährdet. Der Ausweg ist tödlich. »Match Point«, den Allen gestern wie bei allen Festivals ohne Wettbewerbsdruck außer Konkurrenz zeigte, verbindet das Aufsteigerthema meisterlich und hoch dramatisch mit moralischen Fragen wie Verbrechen ohne Strafe, Schicksal und Glück. Und wie beim Netzroller im Tennis-Match entscheidet ein winziges Momentchen über Sieg oder Niederlage. Punkt für Allen.
Um »Stars Wars«-Macher George Lucas zu ehren, zieht man zwar nicht in ein Raumschiff, aber auf ein Traumschiff: An Bord der »Queen Mary 2«, die eigens dafür in der Bucht vor Anker geht, nimmt Lucas am Sonntag den Ehrenpreis der Festspiele entgegen. Danach präsentiert das »Star Wars«-Team am Abend den letzten Teil der legendären Filmsage »Episode 3 - Die Rache der Sith«.

Artikel vom 13.05.2005