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23 Abgeordnete im Bundestag lehnen die EU-Verfassung ab

Schröder und Merkel einig an der Spitze einer Zwei-Drittel-Mehrheit

Berlin (Reuters). Der Bundestag hat die Verfassung der Europäischen Union (EU) mit breiter Mehrheit gebilligt und den ersten Schritt zur Ratifizierung in Deutschland gemacht.Die Europäische Verfassung zählt mit allen Anhängen gut 500 Seiten. Gestern hat der deutsche Bundestag als gewählte Vertretung der Deutschen dem Werk zugestimmt. Auch der Bundesrat wird es billigen.
Für die Verfassung stimmten gestern 569 Abgeordnete, so dass die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit von 401 Stimmen deutlich übertroffen wurde. Dagegen stimmten 23 Parlamentarier, zwei enthielten sich. Für die Ratifizierung der Verfassung ist nun noch die Billigung im Bundesrat erforderlich, die für den 27. Mai geplant ist.
In der Debatte würdigten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Redner auch der Opposition die Verfassung als historische Chance, Frieden und Wohlstand in Europa zu festigen. Vor allem Redner der Union, aus deren Reihen Gegenstimmen angekündigt waren, wiesen aber auch auf die Defizite der Verfassung hin. Mit der Verfassung werden auch die Rechte von Bundestag und Bundesrat in EU-Fragen neu geregelt.
Schröder sagte, die Verfassung werde die EU effektiver, demokratischer und bürgernäher machen. Er rief dazu auf, trotz möglicher Vorbehalte gegen einzelne Elemente die historische Bedeutung der Verfassung anzuerkennen. Die Einigung Europas sei die »Garantie eines Lebens in Freiheit und Würde«. Sie erfülle nicht alle Hoffnungen und banne nicht alle Ängste. »Aber: Der Verfassungstext ist ein sehr guter und fairer Kompromiss.«
Als Ziel des EU-Projekts nannte er: »Es ist ein Europa, das eine Stimme sein will für Frieden und Multilateralismus, ein starker Partner für eine gerechte und kooperative Weltordnung.« Außenminister Joschka Fischer betonte die Bedeutung der EU für den Frieden. »Wer ein friedliches Europa will, muss Ja sagen zu einem erweiterten Europa, und wer ein erweitertes Europa will, muss Ja sagen zu dieser Verfassung.«
Merkel sagte, die angekündigten Gegenstimmen aus der Unions-Fraktion stellten das Bekenntnis von CDU und CSU zu Europa nicht in Frage. Sie machte zugleich ihre Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei deutlich und warnte vor einer Überforderung der Gemeinschaft. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber sagte mit Blick auf einen erhofften Wahlsieg im kommenden Jahr: »Wir werden alles tun - im Rahmen der legalen Mittel, die eine neue Regierung hat -, dass dieser Beitritt zur Vollmitgliedschaft niemals stattfinden wird.« Stoiber betonte, es handele sich nicht um eine echte Verfassung, da die EU kein Staat sei und werden solle, sondern um einen Verfassungsvertrag.
Er kritisierte, dass die EU darin nicht auf ihre Kernaufgaben beschränkt werde: »Die EU macht immer noch zu viel Überflüssiges und zu wenig Notwendiges«, sagte er. Mehrere Unions-Abgeordnete begründeten im Bundestag ihr Nein zur Verfassung mit einer übermäßigen Kompetenzverlagerung von den Mitgliedstaaten zur EU und mit dem fehlenden Gottesbezug in der Verfassung. Insgesamt 80 Abgeordnete gaben in persönlichen Erklärungen Vorbehalte in Einzelpunkten zu Protokoll.
Der Bundestag verabschiedete auch ein Begleitgesetz. Dabei geht es unter anderem um mehr Kontroll- und Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat bei EU-Vorhaben, konkret etwa um die Informationspflicht der Regierung gegenüber beiden Kammern über EU-Projekte und die Beteiligung an der Ernennung von europäischen Richtern. Die Verfassung kann erst in Kraft treten, wenn alle 25 EU-Staaten sie ratifiziert haben. Besonders in Frankreich ist die Zustimmung zur Verfassung nach Umfragen offen.

Artikel vom 13.05.2005