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Lesungen gegen die Einsamkeit

Renate Ahrens in der Bültmannshofschule - Geschichte vom Fremdsein

Bielefeld (sas). »Lesungen finde ich schön. Sie unterbrechen die Einsamkeit des Schreibens«, sagt Renate Ahrens. Darüber hinaus kann sie direkt erleben, wie ihre Geschichten ankommen und ab und an auch neue Ideen mit nach Hause nehmen. Gestern war die Autorin in Bielefeld, hat vormittags in der Bültmannshofschule und nachmittags in der Stadtbibliothek gelesen.

»Daniel und die Suche nach dem Glück« ist das Buch, aus dem die 49-Jährige den Dritt- und Viertklässlern vorgelesen hat. Und es spielt, wie viele Bücher der gebürtigen Herforderin, in Irland, der zweiten Heimat von Renate Ahrens. Denn seit 19 Jahren lebt sie in Dublin.
»Ich habe erst Englisch und Französisch studiert, danach drei Jahre als Lehrerin gearbeitet«, erzählt sie auch den Schülern. Weil aber ihr Mann, ein Historiker, in Deutschland keine Stelle fand, wanderte das Ehepaar aus: über London nach Irland, wo Renate Ahrens ihren Traum vom Schreiben verwirklichte - nachdem sie Seminare besucht, bei Fernsehsendern hospitiert und als Regieassistentin gearbeitet hatte. »Angefangen hat alles mit Drehbüchern für die 'Sesamstraße'«, erzählt sie. Weiter ging es mit Drehbüchern für die »Sendung mit der Maus« - und nebenbei mit der Kür: den ersten Kinderbüchern, zu denen sich mittlerweile Romane für Erwachsene und Theaterstücke gesellt haben.
»Das Buch über Daniel hätte ich vor 19 Jahren, als ich in Irland ankam, so nicht geschrieben«, verriet sie gestern den Bültmannshofschülern. Denn vor 19 Jahren sei Irland ein armes Land gewesen, ein Auswanderungsland. Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren geändert: Seit die Computerindustrie Irland für sich entdeckt hat, blüht das Land auf - und ist längst ein Einwanderungsland. Und genau davon, wie schwer es für einen Fremden sein kann, akzeptiert zu werden und Fuß zu fassen, erzählt die Geschichte von Daniel, der von Klassenkameraden drangsaliert wird.
Gespannt verfolgten die Schüler, was Daniel erlebt, wie unmöglich es ihm ist, sich seinen Eltern anzuvertrauen und wie er sich in Bauchschmerzen flüchtet, um nicht zur Schule zu müssen. »Ich habe aus dem Buch schon mehrfach vorgelesen«, erzählt Renate Ahrens. Und stets hat sie erlebt, dass die Kinder die Botschaft durchaus verstanden und die Situation übertragen konnten - wie die kleine Chinesin, die nach einer Lesung vor ihrer Klasse dann erstmals erzählte, wie sie sich in der Fremde fühlte und wie sie litt.
Wie stets suchte die Schriftstellerin auch gestern das Gespräch mit ihrem jungen Publikum. Und mit Stolz trugen viele Schüler anschließend Buch und signierte Autogrammkarte davon.

Artikel vom 13.05.2005