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Rente auf den Küchentisch geblättert

Die Jobs der Professoren (21): Historiker Dr. Bernhard Jussen


Bielefeld (sas). Die Eltern zahlten die Miete, für seinen Lebensunterhalt aber musste Prof. Dr. Bernhard Jussen als Student selbst aufkommen. Für den Historiker, der seit knapp vier Jahren an der Universität Bielefeld in der mittelalterlichen Geschichte lehrt und forscht, war Jobben also eine Selbstverständlichkeit. »Ich hatte eine sparsame Zeit«, sagt er in der Rückschau. Da wählte man auch das Mensaessen danach aus, was am preiswertesten war . . .
Studiert hat Jussen von 1979 bis 1985 in München und Münster, seine Ferienjobs hatte er in seiner Heimatstadt Herzogenrath. »Ich war Briefträger, und ich habe in einer Glasfabrik gearbeitet«, erzählt er. In der Fabrik bestand seine Aufgabe vor allem darin, bei der Verladung riesiger Scheiben auf Lastwagen zu helfen. »Die Scheiben waren etwa drei mal fünf Meter groß und kamen in einem Stapel zu jeweils zehn Stück aus der Float-Anlage.« Mittels Kran wurden sie auf Tieflader gehievt. »Mein Job bestand darin, sie festzuhalten, auf dem Lkw zu platzieren und zu verkeilen«, erzählt Jussen. Die Bezahlung war sogar besser als bei der Post, erinnert sich der Historiker.
Dort machte Jussen während der Semesterferien als Briefträger so manchen Kilometer. »Um fünf Uhr morgens fing man an, spätestens um 14 Uhr war man fertig.« Dennoch: Wegen des frühen Arbeitsbeginns und besonders im Winter war dieser Job eher »halblustig«, findet er. »Ich habe lieber in der Fabrik gearbeitet - da war man nicht alleine unterwegs, sondern wurde in eine Gruppe eingeordnet.«
Dabei ging es dem Postboten Jussen gar nicht so schlecht: »Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre wurde oft noch die Rente ausgetragen. An zwei, drei Tagen im Monat hatte ich also 20 000 Mark in der Tasche.« Und wenn er dieses Geld dann bei den Rentnern auf den Küchentisch zählte, gab es regelmäßig einen Kaffee, Schnaps - und auch »riesige Trinkgelder«. Welche Post seine Mitbürger in Herzogenrath darüber hinaus bekamen, interessierte Bernhard Jussen nicht: »Ich habe nicht einmal Postkarten gelesen. Das hätte alles nur Zeit gekostet.« Und die Studenten hatten es in aller Regel eilig, fertig zu werden. Lediglich die auffällig neutrale Post einschlägiger Versandhäuser fiel durchaus auf.
Richtig gut ging es dem angehenden Historiker - der nebenbei auch im Tennisclub seiner Heimatstadt gekellnert hat (»das Übliche eben«) - während seiner Studienzeit in Münster: »Bis zur Promotion habe ich immer Hilfskraftstellen an der Universität gehabt.« Und das bedeutete nicht nur Einblicke, sondern auch ein regelmäßiges und sicheres Einkommen.

Artikel vom 13.05.2005