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Ein Meister der
Minimalmimik

Henry Fonda wäre 100 geworden

Los Angeles (dpa). Der amerikanischen Post ist der 100. Geburtstag von Henry Fonda eine Sondermarke wert. Genau 37 Cent kostet der Blick in seine einmalig strahlend blauen Augen auf Papier.
Mann mit strahlend blauen Augen: Henry Fonda.

Pünktlich zum Jubiläumstag - am 16. Mai 1905 wurde der Schauspieler im mittleren Westen der USA geboren - kommt die Marke in der Reihe »Legenden von Hollywood« auf den Markt. Auch die Oscar-Akademie in Beverly Hills wartet mit einem Filmabend und Tochter Jane Fonda als Ehrengast auf. Der Verband hat schließlich einiges gut zu machen. Fast 50 Jahre hatte der Held von mehr als 80 Filmen auf seine größte Auszeichnung - einen Oscar als bester Hauptdarsteller - warten müssen. Als Fonda im März 1982 für das Familiendrama »Am goldenen See« endlich die langverdiente Trophäe erhielt, war der Schauspieler schon zu krank, um den Oscar in Empfang zu nehmen. Er starb am 12. August 1982 im Alter von 77 Jahren.
Die 67-jährige Tochter Jane nimmt den berühmten Daddy in ihren gerade erschienen Memoiren nicht in Schutz. Verkörperte er auf der Leinwand meist den aufrechten uramerikanischen Helden, so galt der fünf mal verheiratete Schauspieler privat als kalt und unnahbar. Der Freitod von Ehefrau Frances Seymour Brokaw im Jahr 1950 überschattete die Beziehung zu seinen beiden Kindern Peter und Jane, die ihm als Schauspieler nacheiferten. »Mein Vater konnte seine Gefühle nicht zeigen. Das war für uns Kinder sehr hart, aber ich habe ihm verziehen, denn er hat sein Bestes versucht«, lauten die versöhnlichen Worte der Tochter auf ihrer Buch-Werbetour.
Der Sohn eines Druckers studierte zunächst Journalismus, schlug sich dann mit Gelegenheitsjobs durch, bis er als technischer Assistent an einem Kleinstadttheater die Liebe zur Schauspielerei entdeckte. Nach seinem ersten Broadway-Hit in dem Stück »Der Farmer will heiraten« (1934) wurde Hollywood auf den Darsteller mit den prüfenden, tiefblauen Augen aufmerksam. Fonda wurde zum Liebling von Star-Regisseur John Ford, der ihn gleich für acht Rollen verpflichtete, darunter das Präsidentenporträt »Der junge Mr. Lincoln« (1938) und das Steinbeck-Drama »Früchte des Zorns« (1940), das ihm seine erste Oscar-Nominierung einbrachte.
Fritz Lang setzte ihn in »Gehetzt - Du lebst nur einmal« (1937) und Alfred Hitchcock in »Der falsche Mann« (1957) ein. Unvergesslich ist Fonda als der legendäre Sheriff Wyatt Earp in dem Western »Faustrecht der Prärie« (1946), wenn er lässig mit seinem Stuhl und staubigen Schuhen auf der Veranda wippt und mit ungeheurer Ruhe und minimaler Mimik zum Helden wird. Auch in dem Gerichtsdrama »Die zwölf Geschworenen«, das er selbst produzierte, verkörpert Fonda wieder das Ideal des aufrechten, unbestechlichen Amerikaners. 1957 erhielt er dafür in Berlin den »Goldenen Bären« als bester Hauptdarsteller. Ein Jahr zuvor hatte er in Europa mit Anita Ekberg und Audrey Hepburn in der Tolstoi-Verfilmung »Krieg und Frieden« Punkte gesammelt. Erst 1968 ließ sich der Star von Italo-Regisseur Sergio Leone überreden, sein nobles Image gegen eine Schurkenrolle einzutauschen. In »Spiel mir das Lied vom Tod« beeindruckt er als Revolverheld.
Nach einem halben Jahrhundert auf der Bühne und vor der Filmkamera erhielt Fonda 1981 seine erste Academy-Trophäe, einen »Ehren-Oscar« fürs Lebenswerk.

Artikel vom 14.05.2005