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Ein Höhepunkt
von Weltklasse

Isabelle Huppert als Hedda Gabler

Von Ulrich Fischer
Recklinghausen (dpa). Für den französischen Weltstar Isabelle Huppert bedeutete das Gastspiel des Odéon-Théâtres de l'Europe aus Paris bei den Ruhrfestspielen einen ganz persönlichen Triumph.

Den Festspielen bescherte die Schauspielerin am Dienstagabend in der Titelrolle von Henrik Ibsens »Hedda Gabler« einen wirklichen Höhepunkt. Entsprechend begeistert feierte das Publikum Huppert und die Inszenierung.
Eric Lacascade, ein in Frankreich prominenter Regisseur, aktualisiert »Hedda Gabler« radikal: Er versetzt Ibsens mehr als hundert Jahre altes Meisterwerk in die Gegenwart; Huppert stellt Hedda Gabler als heutige Zeitgenossin dar. Philippe Marioge hat sein Bühnenbild stark reduziert, Sofas beherrschen die Szene, Heddas Salon. Die Szenerie wirkt elegant, ein aufdringliches Zeichen guten, etwas zu teuren Geschmacks. Es wird auf Französisch gespielt, die deutsche Übersetzung wird auf eine Leinwand im Bühnenhintergrund projiziert. Sicher notwendig, aber doch schade, weil dadurch die Aufmerksamkeit vom Spiel abgezogen wird.
Isabelle Huppert spielt episch, zeigt Hedda als eine Frau, die herrschen möchte, imponieren, allen überlegen sein - aber im Innersten ohne Substanz ist. Äußerliches Zeichen der Verachtung ihrer Mitmenschen ist die Art, wie sie sich auf ihren Sofas lümmelt. Nicht, weil das bequem wäre, sondern, um anderen den Respekt zu verweigern, Überlegenheit zu signalisieren. Nur eine von vielen brillanten Ideen.
Lacascade arbeitet heraus, dass »Hedda Gabler« nicht nur ein naturalistisches Drama ist, sondern dass Ibsen seinen Vierakter auch zum Symbolismus hin verdichtet. Beispielsweise spielt Hedda am Anfang mit wertvollen Blumen. Anstatt den teuren Strauß in eine Vase zu stellen, zerrupft sie die Blüten - damit ist alles gesagt. Ihre Neigung zur Zerstörung wird sie am Ende gegen sich selbst richten.
Hupperts Kunst wirkt so überzeugend nicht wegen ihrer Stimme, ihrer Gestik, ihrer Mimik oder ihrer Körpersprache, sondern weil sie alles aufeinander abstimmt und einbringt ins Ensemblespiel.
Als das Stück 1891 uraufgeführt wurde, konnte man es als Kritik an einer von Männern dominierten, bornierten Gesellschaft lesen, die verhindert, dass Frauen sich frei entfalten können. Lacascade, Huppert und das Ensemble setzen 2005 einen anderen Schwerpunkt: Kritik an zügellosem Egoismus, an Selbstgefälligkeit, an einer coolen Haltung, die so viele Bewunderer findet. Fazit: Eine Inszenierung von europäischem Rang; eine Schauspielerin der Weltspitze - Recklinghausen leuchtete.

Artikel vom 12.05.2005