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CDU will Schulgesetz kippen

Ex-Ministerin Behler: SPD verleugnet Probleme der Gesamtschulen

Düsseldorf (dpa/WB/kol). Eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist eine heftige Diskussion über die Bildungspolitik entbrannt. Die CDU kündigte an, das rot-grüne Schulgesetz bei einem Wahlsieg einzukassieren. Zugleich warf die frühere SPD-Schulministerin Gabriele Behler ihrer eigenen Partei schwere Fehler in der Schulpolitik vor.

In einem Beitrag für die Wochenzeitung »Die Zeit« schreibt die in Bielefeld lebende Ex-Ministerin, die SPD verleugne die Probleme der Gesamtschulen. Diese könnten trotz guter Ausstattung weder mit guten Schülerleistungen noch mit Erfolgen in Sachen Chancengleichheit aufwarten.
Behler warf ihrer Partei vor, die SPD habe sich in den 70er und 80er Jahren von einem konsequenten Erziehungsverständnis verabschiedet und in den Schulen zu wenig auf Leistung geachtet. »Da wurde in linken Bildungszirkeln die bemühte ÝArbeiterliteraturÜ auf die gleiche Stufe gestellt wie etwa Theodor Fontane, die kommunikative Funktion von Sprache gegen deren formale Richtigkeit ausgespielt, Sozialkunde gegen Geschichte und fächerübergreifendes Lernen gegen solides Fachwissen«, schreibt Behler in ihrem Beitrag. Bürgerliche Schriftsteller, korrekte Rechtschreibung und mathematisches Können aber seien »nicht beliebig ersetzbar«.
Gabriele Behler war von 1995 bis 2002 Schulministerin in Düsseldorf. Im Januar 2005 hatte sie ihr Landtagsmandat aus Protest gegen Teile des neuen Schulgesetzes niedergelegt. Ausdrücklich wendet sie sich gegen die »Zerschlagung« der staatlichen Schulaufsicht bei den Bezirksregierungen. Die von der rot-grünen Landesregierung beschlossene Verlagerung der Schulaufsicht in die Kreise und Großstädte führe dazu, dass »Schulen in die Abhängigkeit von stärker partei- und interessenpolitsch orientierten kommunalen Strukturen« gerieten.
Die CDU kündigte gestern an, bei einem Wahlsieg am 22. Mai unter anderem die von Rot-Grün abgeschafften Halbjahreszeugnisse in der 3. Klasse wieder einzuführen. Außerdem müsse das Betragen der Schüler auf den Zeugnissen dokumentiert werden, sagte der Schulexperte der CDU-Landtagsfraktion, Bernhard Recker. Die CDU plant Recker zufolge aber nicht, bereits bestehende Gesamtschulen zu schließen. Auch sei keine weitere Erhöhung der Lehrerarbeitszeit geplant.
Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) verwies in seiner letzten Kabinettspressekonferenz darauf, dass sich die Zahl der Ganztagsplätze in den Grundschulen zum neuen Schuljahr verdoppeln werde. »Wir werden vom Sommer an etwa 1400 offene Ganztagsgrundschulen haben, die mehr als 71 000 Plätze anbieten können«, gab Steinbrück nach Abschluss des diesjährigen Anmeldeverfahrens bekannt.
Steinbrück forderte zugleich mehr Verantwortung der Eltern ein. »Die Tendenz, den Erziehungsauftrag bei den Eltern abzuladen, nimmt zu«, meinte der Regierungschef. »Wir müssen aufpassen, dass Schule nicht zum Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Fehlentwicklungen wird.«

Artikel vom 12.05.2005