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Sorgfältige Prüfung vor
Sicherungsverwahrung

BGH: Gefährlichkeitsprognose entscheidend

Karlsruhe (dpa). Gefährliche Straftäter dürfen nur unter strengen Voraussetzungen über ihre Haftzeit hinaus dauerhaft in einer Haftanstalt untergebracht werden.
Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem ersten Urteil zur im Juli 2004 eingeführten nachträglichen Sicherungsverwahrung entschieden. Ein Rückfallrisiko, das sich erst während der Haftzeit gezeigt habe, dürfe nicht allein damit begründet werden, dass der Häftling eine Therapie verweigert habe. Auch eine statistisch hohe Gefahr, dass es zu neuen Taten kommen könne, reiche nicht aus, befand das Karlsruher Gericht.
Die Gerichte müssten sich vielmehr umfassend mit der Persönlichkeit des Täters, seinen früheren Delikten und seinem Verhalten im Strafvollzug auseinander setzen, entschied der BGH. Damit hob er die Unterbringung eines pädophil veranlagten Sexualstraftäters auf. Das Landgericht Bayreuth muss nun erneut über den Fall entscheiden. Der Mann bleibt vorerst in Haft. Der 43-jährige ehemalige Jugendtrainer war 1997 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt und später in Sicherungsverwahrung genommen worden.
Nach den Worten des Senatsvorsitzenden Bernhard Wahl stellt die nachträgliche Sicherungsverwahrung einen besonders schweren Eingriff in das Freiheitsrecht des Betroffenen dar. Denn sie werde nicht - wie bei der »normalen« Sicherungsverwahrung - bereits im Urteil angeordnet, sondern knüpfe an das Verhalten im Gefängnis an. Zwar gebe eine Therapieverweigerung gerade bei Sexualstraftätern in der Regel Anlass, eine dauerhafte Unterbringung zu prüfen. »Allein ausreichend ist das aber nicht«, sagte Wahl. »Dies wäre sonst eine unverhältnismäßige Sanktion für fehlendes Wohlverhalten im Vollzug.« Auch das - mit mehr als 50 Prozent veranschlagte - Rückfallrisiko bei Pädophilen genügt laut BGH nicht: »Statistische Wahrscheinlichkeiten scheinen uns keine ausreichende Prognosegrundlage zu sein«, sagte Wahl. Entscheidend sei die »individuelle Gefährlichkeitsprognose«. Az.: 1 StR 37/05

Artikel vom 12.05.2005