12.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Noch kein Ausweg aus der »Welt ohne Weltordnung«

Michael Stürmer warnt vor Unterschätzung des Terrors

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Viele Europäer haben die Ernsthaftigkeit der terroristischen Gefahr noch nicht begriffen. Die USA wiederum vertrauen zu sehr nur auf ihre technisch-militärische Überlegenheit. Diese Spaltung des Westens ist nach Ansicht von Prof. Michael Stürmer (66) eine große Gefahr.
Michael Stürmer warnt vor Islamisten. Foto: Bernhard Pierel

Noch habe der Terrorismus nicht zu dem letzten Mittel, dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen, gegriffen, erklärte der Historiker und Kolumnist der »Welt« und »Welt am Sonntag« bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Industrie- und Handelsclubs (IHC) und des Marketingclubs OWL. Doch die Gefahr bestehe: »Wir dürfen diesen ersten Schlag nicht tatenlos abwarten.« Diejenigen, die nach dem 11. September 2001 diesen Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hätten, würden vom Rest der Welt nicht ernst genommen.
Etwas amüsiert erinnerte Stürmer an den kurzzeitigen Glauben, nach dem Zusammenbruch des Warschauer Pakts und der kommunistischen Gegenwelt sei das Ende der Geschichte eingetreten. Rückblickend habe der Kalte Krieg der Menschheit sogar eine größere Stabilität und Sicherheit gebracht als es heute unter den veränderten Bedingungen noch möglich sei. Jetzt sei nichts mehr sicher, weder Verkehrseinrichtungen noch öffentliche Gebäude noch das Internet.
Ursache der terroristischen Bedrohung ist nach Ansicht Stürmers nicht die Armut in der Welt. Osama bin Laden sei Mitglied einer der reichsten arabischen Familien. Statt Armutskonflikt wird hier aus der Sicht des Historikers und -Êvon 1988 bis 1998 -ÊDirektors der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik ein Krieg der Religionen ausgefochten. Die Art der Kriegsführung durch die Islamisten lässt allerdings die Stärke des Westens »ins Leere gehen«. Der Kriegseinsatz der Terroristen -Êein paar Menschenleben -Êsei vergleichsweise gering.
Obwohl vom IHC-Präsidenten Dirk U. Hindrichs schon bei der Einführung auf die Fähigkeit des Historikers angesprochen, in die Zukunft zu sehen, konnte Stürmer selbst noch keinen Ausweg aus der »Welt ohne Weltordnung« beschreiben. Die Lage sei dramatisch und müsse so behandelt werden. Die Augen zu verschließen verschlimmere nur die Bedrohung. Für sich bat Stürmer ob der Schwere der Botschaft um Nachsicht: »Bestrafen Sie nicht den Boten für die Botschaft, die er übermitteln muss.«

Artikel vom 12.05.2005