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Bankräuber als Ziegenzüchter

73-jähriges Mitglied der »Opa-Bande« pachtet Bauernkotten in Bielefeld

Von Christian Althoff
Herford/Bielefeld (WB). Ein Bauernkotten am Stadtrand von Bielefeld: In dieser ländlichen Idylle wollte Wilfried A. aus Herford seinen Ruhestand verbringen. Doch er wird das Haus nie wiedersehen: Der 73-Jährige ist Mitglied der »Opa-Bande«, die derzeit vor dem Landgericht Hagen steht. Die drei Senioren im Alter von 64, 73 und 74 Jahren sollen in 16 Jahren bei 14 Banküberfällen 1,3 Millionen Euro erbeutet haben.

Der Herforder ist ein Berufsverbrecher und hat bereits 40 Jahre in Gefängnissen gesessen. »Deshalb bekomme ich auch keine Rente. Ich habe die Banken überfallen, um nicht als Sozialfall im Altersheim zu enden«, hatte Wilfried A. dem Gericht am ersten Verhandlungstag erklärt. Doch für Menschen, die ihn kennen, ist die Angst vor der Armut nur vorgeschoben: »Dem ging es doch gut, der wollte sich nur etwas beweisen!«, sagt ein Bekannter. Denn Wilfried A. war versorgt: Er lebte in Bielefeld in einer 80 Quadratmeter großen Eigentumswohnung zusammen mit seiner früheren Frau (70). Die beiden hatten sich vor 35 Jahren kennengelernt, doch 20 Jahre später hatte sich die Frau von ihm scheiden lassen: Während sie mit ehrlicher Arbeit das Geld für die Familie herangeschafft hatte, war er immer wieder hinter Gittern gelandet. Das wollte die Ehefrau nicht länger mitmachen - bis das Paar vor fünf Jahren wieder zueinander gefunden hatte. »Wilfried ging auf die 70 zu. Da glaubte seine Frau natürlich, dass er jetzt gesetzestreu leben würde«, erinnert sich ein Freund.
Doch der Herforder täuschte alle, die ihn zu kennen glaubten. Zusammen mit Lothar A. (64), den er im Detmolder Gefängnis kennengelernt hatte, und Autoschlosser Rudolf R. (74) aus Iserlohn überfiel er Sparkassen, unter anderem in Rietberg, Löhne, Herford, und Oeynhausen. Die Senioren waren mit Pistolen und einer MP bewaffnet und hatten gelegentlich auch eine Axt dabei, um in panzerverglaste Kassenbereiche einzudringen.
Trotz ihrer Beute lebten die Räuber nicht auf großem Fuß. Wilfried A. pachtete einen Bauernkotten am Stadtrand von Bielefeld. Zusammen mit seiner ahnungslosen Frau hatte er be-gon-nen, das Haus zu renovieren, in das er irgendwann einziehen wollte. Der Herforder hatte seit Jahren davon geträumt, auf einem Hof zu leben, und schaffte sich Schweine, Ziegen und Schafe an. Diese Tiere musste er jedoch auf Drängen seiner Frau wieder abgeben, die sich nicht länger Tag für Tag um das Vieh kümmern wollte. Lediglich ein paar Hühner scharrten zuletzt noch vor dem Haus - bis Polizisten die Bande im November auffliegen ließen und sich der Tierschutzverein der Vögel annahm.
»Dass der Wilfried ein Bankräuber ist, hätte ich nie für möglich gehalten«, sagt ein Nachbar, der nur einen Steinwurf von dem Kotten entfernt lebt. »Der ist zur Ernte immer bis ganz oben in die Birnenbäume geklettert. Ich hätte den allerhöchstens auf 60 Jahre geschätzt.« So ging es auch den Kunden und Sparkassenmitarbeitern, die von der »Opa-Bande« bedroht und geschlagen worden waren: »Kein einziger Zeuge hatte den Eindruck, einen Senior vor sich zu haben«, sagt Hauptkommissar Jochen Wolter (47) aus Herford, der die Räuber jahrelang gejagt hatte. Erst, als die Polizei ihr Fahndungsraster auf ältere Täter ausgedehnt hatte, waren Wilfried A. und seine Komplizen in Verdacht geraten. Als sie sich am 4. November im sauerländischen Menden trafen, um eine Bank zu überfallen, griffen Polizisten zu. Sie fanden in der Wohnung von Wilfried A. 20 000 Euro, in seinem Kotten mehr als 100 000 Euro sowie die Maschi-nenpistole.
In seiner Zelle wartet der Herforder bisher vergeblich auf den Besuch seiner früheren Frau. »Ich kann das nicht. Für mich war das letzte halbe Jahr die Hölle«, ließ die 70-Jährige einen Bekannten wissen.

Artikel vom 11.05.2005