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Politiker wissen zu wenig

Wirtschaftskompetenz: Landtagskandidaten im Test durchgefallen

Von Reinhard Brockmann
Göttingen (WB). Die 317 Kandidaten der vier Landtagsparteien verstehen wenig von Wirtschaft. Nur zwei von 37 Bewerbern aus Ostwestfalen kamen bei einer anspruchsvollen wissenschaftlichen Untersuchung unter die 40 Besten.

Allein Günter Kozlowski von der CDU mit Platz 11 (Gütersloh/Bielefeld) und Michael Vesper von den Grünen mit Platz 38 (Bielefeld) bestanden vor den Wissenschaftlern des Göttinger Instituts zur Entwicklung der Wirtschaftskompetenz von Politikern (IEWP). In der NRW-Wertung belegte Michael Breuer (CDU) Platz eins gefolgt von Ingo Wolf (FDP) und Helmut Linssen (CDU). Punkte bekam, wer selbst Arbeitsplätze geschaffen oder zum Beispiel große Verwaltungen geführt hatte.
Alle Landtagskandidaten wurden zunächst nach Ausbildungs- und Karrieredaten benotet. Insgesamt kamen hier 57 Prozent nicht über ein »ausreichend« hinaus, 34 Prozent schnitten »befriedigend« ab, lediglich 10 Prozent mit »gut« oder »sehr gut«. Aus der Region schafften nur acht den Sprung unter die besten 100. Diese stellten sich einer »knallharten« Direkt-Befragung, wie sich Kozlowski erinnert. Manager wollten nicht nur mehr Geld, sondern auch schneller Ergebnisse sehen, erklärt der CDU-Kandidat den Experten-Mangel in der Politik. Er selbst führte sechs Jahre ein Unternehmen mit 400 Beschäftigten.
Die FDP lag im ersten Durchgang mit 28,6 von möglichen 60 Punkten vor der CDU (24,2), der SPD (20,4) und B90/Grüne (20,3).
»Dieses Ergebnis zeigt: In der Breite aller Kandidaten gibt es große Kompetenzlücken. Wenige Experten in den Parteien treffen auf viele Laien, die im Entscheidungsprozess aber eine wichtige Rolle spielen«, spricht Professor Frank Albe von einem »Experten-Laien-Dilemma« und: »Natürlich kann ein Politiker nicht auf jedem Gebiet ein Super-Fachmann sein, dass aber in zahlreichen Wahlkreisen Wirtschaftskompetenz absolute Mangelware ist, sollte die dortigen Wähler beunruhigen.«
Die Kompetenzunterschiede der Wirtschaftsexperten zwischen den Parteien sind im übrigen weitaus geringer, als es die traditionellen Rollen erwarten lassen. So lagen im zweiten Durchgang der Top 100 CDU (59,8) und FDP (59,1) zwar über dem Durchschnitt von 58,3 Punkten, der Unterschied zu SPD (55,6) und B90/Grüne (54,8) betrug aber lediglich maximal 5 Punkte.
Das an der renommierten Privaten Fachhochschule Göttingen beheimatete IEWP startete 2004 mit dem ersten Kompetenzbarometer vor der Landtagswahl in Thüringen. Das Institut ist privat finanziert und deckt seine Forschungsetats aus Spenden.
Derzeit läuft ein Politiker-Test mit allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Erstmals wird darin neben Daten zur Kompetenz auch Sachwissen abgefragt und benotet. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 17.05.2005