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Leitartikel
Bush vs. Schröder

Umgang mit dem »roten Pinochet«


Von Jürgen Liminski
Sich zu entschuldigen, das ist nicht russische Art. Im Gegenteil, in Moskau nimmt man Entschuldigungen huldvoll an. Putin hat es abgelehnt, sich bei den baltischen Mitgliedern der EU für die Zeit der Besatzung zu entschuldigen. Das sei abgehakte Vergangenheit.
Wenn aber Leute wie der deutsche Bundeskanzler in Moskau ihren Kotau machen, dann lebt diese Vergangenheit auf und in Abkommen mit der EU sogar weiter. Kein Ereignis der letzten Jahre zeigt so deutlich das Janusgesicht des Potentaten im Kreml.
Hinter beiden Gesichtern steckt ein imperial ausgreifendes Hirn. Moskau hat Großmachtvisionen. In diesen Träumen sind unmittelbare Nachbarn wie die Balten oder die Völker im Kaukasus nur Untertanen, die EU dagegen Lieferant von »Knowhow« und Abnehmer von Erdgas und Öl.
Schröders nahezu unterwürfige Haltung gegenüber dem »lupenreinen Demokraten« (!) Putin geht hierzulande sogar manchen Parteigenossen zu weit. Der Außenpolitik-Experte der SPD, Hans Ulrich Klose, fragte sich jüngst vernehmlich, wohin es führen könne, dass der Kanzler mehr an Putin und Russland denke als an Amerika. Abgesehen von dem Mangel an historischem Bewusstsein zeigt die Haltung Schröders auch wenig Sinn für Demokratie.
In Putins Reich herrscht die Restauration, nicht das Recht, in Tschetschenien sogar der Terror.
Es ist aber, wie Benedikt XVI. in seinem letzten Buch als Kardinal sehr treffend schrieb, »die Aufgabe der Politik, Macht unter das Maß des Rechtes zu stellen und so ihren sinnvollen Gebrauch zu ordnen«. Davon kann in Russland kaum die Rede sein.
Da schaffen Schuldgeständnisse wie die von US-Präsident George W. Bush in Riga (Amerika war mit schuld an der Unterdrückung in Osteuropa«) schon ein ganz anderes Klima, auch wenn Bush bei den Feiern in Moskau tags darauf mit Putin Einigkeit demonstrierte. Ja, man kann durchaus anderer Meinung und dennoch auch Partner sein.
Natürlich missfällt es dem roten Pinochet im Kreml, wenn sein Freund Bush tags darauf in Tiflis der Freiheit so entschieden das Wort redet und eine demokratische Gesellschaft lobt, »in der die Rechte der Minderheiten respektiert werden, wo sich eine freie Presse entwickelt, wo eine lebendige Opposition willkommen ist«. Das waren auch Worte in Richtung Moskau und Brüssel. Wer die Demokratie stärkt, der stärkt den Frieden.
Geschichte ist, das haben gerade die jüngsten Tage gezeigt, nicht abhakbar, sie wirkt fort im Verhalten der Menschen und damit auch in den Beziehungen zueinander. Man kann ihr nur gerecht werden, wenn man ihr mit Wahrheit und Offenheit begegnet und insofern den alten Geschichtsschreiber Polybios nicht oft genug wiederholen kann: Geschichte ohne Wahrheit ist wie ein Gesicht ohne Augen. Wo die Wahrheit zu kurz kommt, wuchern Ressentiments und Vorurteile. Aus ihnen erwächst Hass. Wer Putin und Russland blind verklärt, tut niemandem einen Gefallen.

Artikel vom 13.05.2005