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Steuerloch
viel tiefer
als erwartet

Fehlbetrag von 66,8 Milliarden

Berlin (dpa). Auf die Staatskasse kommen dramatische Einnahmeverluste zu. Nach der gestern vorgestellten Steuerschätzung beläuft sich das Finanz-Loch bis 2008 auf nahezu 67 Milliarden Euro.
Diese Zahlen übertreffen die bisherigen Prognosen um mehr als zehn Milliarden. Die SPD rief daher die Opposition im Bund und in den Ländern zu einem »Finanzpakt für Deutschland« auf. Die Union sprach von einem »finanzpolitischen Scherbenhaufen«.
Trotz der massiv nach unten korrigierten Steuerschätzung setzt die Bundesregierung zunächst weiter auf ein Anziehen der Konjunktur. Finanzminister Hans Eichel (SPD) lehnte ein neues Sparpaket und Ausgabenkürzungen ab. Auch auf einen von der Opposition geforderten Nachtragshaushalt wollte er sich nicht festlegen. Eichel kündigte an, Haushaltslöcher mit Einmalmaßnahmen stopfen zu wollen. So schloss er den Verkauf von weiteren Forderungen des Bundes gegenüber Kreditschuldnern nicht aus. Indessen dürften die Regierungspläne zur Senkung der Unternehmensteuern durch die Einnahmeverluste wieder in Frage stehen.
Am stärksten betroffen von der Finanzmisere bis 2008 ist der Bund mit einem Minus von 39,1 Milliarden Euro. Aber auch die Länder müssen sich auf drastische Mindereinnahmen von 28,0 Milliarden gegenüber früheren Prognosen einstellen. Dagegen können die Gemeinden - vor allem wegen der Gewerbesteuer - mit Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden rechnen.
Der Staat muss in diesem Jahr gegenüber der Prognose vom November 2004 Mindereinnahmen von 5,1 Milliarden Euro verkraften. 2006 werden gegenüber der Mai-Schätzung 2004 Ausfälle von 17,1 Milliarden veranschlagt, für 2007 Einbußen von 21,3 Milliarden Euro. Für 2008 werden nunmehr weniger Einnahmen von 23,3 Milliarden vorhergesagt.
Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) sprach von »unglaublichen Zahlen«. Er warnte vor einer weiteren Verschuldung des Staates. Inzwischen werde mehr Geld für Schuldzinsen als für Investitionen ausgegeben.
Mit der neuen Schätzung ist auch das von Eichel angestrebte Ziel, 2005 erstmals nach drei Verstößen die Defizitvorgaben des Euro-Stabilitätspaktes wieder einzuhalten, stark gefährdet. Der Minister räumte ein, dass es sehr schwer werde. Nicht nur die fehlenden Steuereinnahmen belasten die Haushalte, sondern auf der Ausgabenseite auch Milliarden-Lasten durch die angespannte Lage am Arbeitsmarkt oder bei der Rente. Eichel sprach von einer Mehrbelastung in Höhe eines mittleren einstelligen Milliardenbetrages. Für 2005 bezifferte die Opposition die zusätzlichen Etatrisiken auf bis zu 20 Milliarden Euro.
FDP und Union fordern von Eichel einen Kassensturz sowie Kürzungen der Ausgaben. Dabei dürften Einschnitte bei Sozialleistungen kein Tabu sein. Die SPD-Abgeordneten Joachim Poß, Jörg-Otto Spiller und Walter Schöler riefen die Opposition zu einem »Finanzpakt für Deutschland« auf. Alle politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern müssten sich schnell zu einer einvernehmlichen Strategie zur Stabilisierung der Staatsfinanzen verabreden.

Artikel vom 13.05.2005