11.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ulrike und Thomas Straßheim. Levkes Mutter schilderte das Leid der Familie.

»Levke fehlt
morgens, mittags
und abends«

Mutter des Opfers im Zeugenstand

Stade (dpa). Im Prozess um die Morde an den Kindern Levke und Felix hat die Mutter des getöteten Mädchens gestern das Leiden der Angehörigen geschildert. »Das ganze Gleichgewicht der Familie ist vollständig kaputt«, sagte die 39- jährige Ulrike Straßheim mit brüchiger Stimme.

»Sie fehlt morgens, sie fehlt mittags, sie fehlt abends«, sagte sie über ihre achtjährige Tochter, die der Angeklagte Marc Hoffmann vor einem Jahr ins Auto gelockt, missbraucht und dann mit einem Kabelbinder erwürgt hatte. Vor dem Landgericht in Stade hatte der 31-Jährige am Montag zum Prozessauftakt die Kindermorde erneut gestanden.
Es habe schon »List und Tücke« dazu gehört, Levke in ein fremdes Auto zu locken, sagte ihre Mutter, die immer wieder stockte und am Ende die Tränen nicht mehr unterdrücken konnte. Erst wenige Wochen vor dem Verbrechen sei in der Familie darüber gesprochen worden, dass die Kinder nicht bei Fremden mitfahren sollten. Hoffmann hatte dem Mädchen vorgelogen, es sei etwas mit ihrer Mutter passiert. Ihr sei egal, wie hoch die Strafe gegen ihn ausfallen werde, sagte Levkes Mutter. Die Strafe sei für ihre Familie keine Genugtuung. »Eine gerechte Strafe wird es nicht geben. Denn er lebt weiter und sie hat die Möglichkeit nicht.«
Ulrike Straßheim schilderte, wie sie am 6. Mai 2004 nach Hause gekommen war und Polizisten ihr vom Verschwinden ihrer Tochter erzählten. »Es war einfach nur schrecklich«, sagte sie. »Ich kann es nur als Hölle beschreiben.« Während der Ungewissheit in den folgenden vier Monaten bis zum Finden der Leiche im Sauerland habe die Familie kein normales Leben mehr führen können. »Es ist nur ein Gedanke da: Wo ist Levke? Was muss sie durchleiden?«
Als Levkes Leiche in einem Wald bei Attendorn gefunden wurde, sei die Ungewissheit zu Ende gewesen. Erleichtert war die Familie, als Marc Hoffmann danach festgenommen wurde. »Levi bringt uns das nicht wieder«, habe sie gedacht, »aber andere Kinder werden vielleicht bewahrt.«
Levkes Mutter erzählte, sie habe ihren Beruf als Krankenschwester aufgeben müssen. Ihr Mann leide an Konzentrationsschwächen. Die Kinder hätten Probleme in der Schule. Ihr Sohn Hauke (11) gehe nicht mehr im Dunkeln nach draußen, ihre Tochter Wencke (13) verlasse das Haus nicht mehr ohne Schlüssel. »Wir sind von Angst umgeben.«
Der Täter hatte Levke nur verschleppen können, weil das Mädchen an diesem Tag seinen Hausschlüssel vergessen hatte und nach Schulende vor dem Elternhaus auf den Vater wartete. Die Mutter, sonst mittags zu Hause, arbeitete zu dieser Zeit in Bremen.

Artikel vom 11.05.2005