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Oppositon fordert Kassensturz

Streit um Weg aus der Finanzkrise - Koalition vertagt die Steuerdebatte

Berlin (dpa/Reuters). Die drohenden Steuerausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro für die Staatskassen bis zum Jahr 2008 haben den Streit um Auswege aus der Finanzmisere weiter angeheizt.
Auch die Debatte um eine höhere Mehrwertsteuer reißt nicht ab. Koalition und die Opposition machten sich gestern gegenseitig für die neuen Milliardenlöcher verantwortlich. CDU/CSU und FDP forderten nach einem Kassensturz umgehend einen Nachtragsetat. Finanzministerium und Koalition lehnten dies ab.
Angesichts der Haushaltsnotlage auch der Länder müsse die Union ihre Blockade beim Subventionsabbau endlich aufgeben.
Bund und Ländern drohen bis zum Jahr 2008 nach Einschätzung von Steuerschätzern weitere Einnahmeausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro. Die Kommunen können dagegen mit Mehreinnahmen rechnen. Das zeichnete sich zu Beginn der Beratungen des Arbeitskreises Steuerschätzung in Berlin ab.
Die CDU/CSU-Fraktion hat wegen der erwarteten Steuerausfälle für diesen Freitag eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses beantragt. Mit Blick auf die dann vorliegenden Schätzergebnisse »halte ich eine zeitnahe Beratung der erforderlichen Konsequenzen für unabdingbar«, hieß es in einem Brief des CDU/CSU-Haushaltspolitikers Steffen Kampeter (Minden) an den Ausschuss-Vorsitz.
Die Grünen-Politikerin Anja Hajduk forderte, die Finanzplanung auf eine realistischere Basis zu stellen. Es müsse vorbei sein, mit dem »Ritus, dass die Schätzung beständig zu optimistisch ausfällt, und wir uns dann kritisieren lassen müssen«, sagte sie. Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) forderte: »Der Bund muss weg von irrealen Wachstumsannahmen.« CDU-Generalsekretär Volker Kauder machte für die »schockierende Zahl« von mehr 50 Milliarden Steuerausfälle den »Bundeskanzler persönlich« verantwortlich. Finanzminister Hans Eichel (SPD) habe seinen Haushalt immer wieder auf falschen Prognosen aufgebaut.
Im Streit um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wurden Differenzen innerhalb der Union und der Grünen deutlich. Hajduk plädierte für eine Anhebung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der Sozialkassen. Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel lehnte dies als konjunkturellen »Riesenfehler« ab. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) machte sich erneut stark für eine höhere Mehrwertsteuer.
Unterdessen hat die rot-grüne Koalition nach Kritik auch aus den eigenen Reihen die für Freitag vorgesehene Bundestagsdebatte über die Unternehmensteuersenkungen und Erleichterungen bei der Erbschaftssteuer überraschend vertagt.
Die beiden Gesetzentwürfe der Regierung wurden entgegen ersten Planungen noch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Darauf haben sich die Spitzen der Koalitionsfraktionen auf Wunsch der Grünen gestern geeinigt. Einige Grüne hatten sich kritisch zu den Gesetzentwürfen über die Senkung der Körperschaftsteuer und der Erbschaftsteuer geäußert. Aber auch SPD-Linke hatten weitere Nachbesserungen gefordert.
SPD und Grüne stellten klar, dass der Zeitplan und die bis zur Sommerpause angestrebte Verabschiedung der Gesetzespläne nicht gefährdet seien. Die Union, die seit Mitte März mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) über die Finanzierung der Pläne streitet, warf der Koalition dagegen Handlungsunfähigkeit vor. Sie erweise sich »in steuer-, finanz- und haushaltspolitischen Fragen endgültig als debatten- und handlungsunfähig«, kritisierte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen.
Die Koalition will die Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent senken. Für mittelständische Familienbetriebe soll die Erbschaftsteuer auf produktives Betriebsvermögen wegfallen, wenn der Nachfolger das Unternehmen mindestens zehn Jahre weiterführt. Die Entlastungen waren beim Job-Gipfel mit der Union vereinbart worden. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 11.05.2005