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Leitartikel
»E« wie Edeka

Blaugelbe
Macht im
Einzelhandel


Von Bernhard Hertlein
Im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel ist die »E«-Zeit angebrochen. Der Triumph des »E-Commerce«. Nur dass das »E« in diesem Fall nicht für »Electronic«, sondern für »Edeka« steht -Êfür die 1898 gegründete ursprüngliche »Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin«.
»E«Êwie Tante »Emma«. Fleißig. Zuverlässig. Alltäglich. Durchschnittlich. Nichts Besonderes. Das blaugelbe Mauerblümchen versorgte die Bevölkerung jahrzehntelang mit allem, nur nicht mit aufregenden Nachrichten.
»E« wie »Expansion«. Heimlich aber wurden die Edekaner immer größer. Durch kluges, organisches Wachstum im Westen und nach der Wiedervereinigung in den neuen Ländern schoben sie sich in der Liste der Handelsriesen nach vorn.
»E« wie Nummer »Eins«. Zusammen mit der Bielefelder AVA (Marktkauf, Dixi), deren endgültige Einverleibung in den Konzern gerade jetzt bevorsteht, eroberte die Edeka fast unbemerkt den Spitzenplatz der deutschen Lebensmittel-Einzelhändler. Mit der in der vergangenen Woche bekannt gemachten Übernahme von Spar und Netto-Süd vergrößert sie nicht nur den Abstand zu Rewe, Aldi, Lidl und Tengelmann. Edeka setzt sich - sofern das Kartellamt zustimmt - zusätzlich auch noch vor Metro an die Spitze aller deutschen Handelskonzerne.
»E« wie »Eintritt« in den Discountmarkt. Mit der Übernahme von 1050 Netto-Läden im Süden und einer 25 Prozent-Beteiligung an Netto-Nord treten die Blaugelben plötzlich in unmittelbare Konkurrenz zu Aldi, Lidl, Plus & Co. Edeka-Chef Alfons Frenk, früher sehr freigebig in seiner Discounter-Kritik, verweist zur Begründung auf die größere Einkaufsmacht. Was aber, wenn Netto an seinen Expansionsplänen festhält? Jährlich 100 neue Billigmärkte - das könnte bald zu Unmut bei so manchem Edeka-Kaufmann und -Genossen führen.
»E« wie »Einkaufsmacht«. Die Übernahme von Spar und Netto durch Edeka ist ein weiterer großer Schritt im Konzentrationsprozess des deutschen Einzelhandels. Schon bisher waren Edeka-Einkäufer teils auch für die AVA und den Kooperationspartner Globus unterwegs. Opfer der Fusionen und »strategischen Allianzen« in der Branche sind bisher vor allem die kleineren Lieferanten und Markenartikel-Hersteller. Aber mit der Bildung des neuen Einkaufsbundes Alidis, zu dem außer Edeka auch der bisherige Spar-Eigentümer ITM (Intermarché) und die spanische Eroski-Gruppe gehören, werden nun auch große Konzerne erpressbar.
»E« wie Europa. Große ausländische Konzerne wie Intermarché, Marks & Spencer und Wal Mart sind an den niedrigen Renditen im deutschen Einzelhandel gescheitert. Die Metro AG schneidet deshalb besser ab, weil sie auch im Ausland aktiv ist. Frenk hatte Ähnliches für die Edeka angepeilt. Dem Ziel ist der von Minden nach Hamburg gewechselte Chef der Edeka-Zentrale noch nicht näher gekommen. Dazu hat »E« wie Er noch Zeit. Frenk ist erst zwei Jahre im Amt.

Artikel vom 11.05.2005