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Chirurg verzichtet
auf Privathonorar

Patient war nicht geschäftsfähig

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Unter der Einwirkung starker Schmerzmittel hat ein Patient aus Paderborn einen Vertrag über privatärztliche Leistungen unterschrieben. Dieter E. braucht die Rechnung jedoch nicht zu bezahlen.

Der 58-Jährige leidet seit Jahren an einer schweren Diabetes. Sein rechtes Bein sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu retten, sagten ihm mehrere Ärzte. Ein auf Gefäßchirurgie spezialisiertes Krankenhaus in Bad Gandersheim war deshalb seine letzte Hoffnung. Dieter E. stellte sich dort vor, gab seine Versichertenkarte ab und bekam schon zwei Tage später einen Operationstermin. Er werde die Operation selbst vornehmen und sehe sehr gute Chancen, das Bein zu erhalten, erklärte der Chefarzt dem überglücklichen Patienten.
Kurz vor dem geplanten Eingriff dann allerdings der Schock: Leider könne er ihn doch nicht behandeln, weil er nur Kassen- und nicht Privatpatient sei, erklärte der Chirurg dem Paderborner. »Die Sekretärin erläuterte meinem Mandanten dann aber, dass er nur die Kosten für die Chefvisiten selbst zahlen müsse, alles andere seien Kassenleistungen«, schildert der Bad Lippspringer Patientenanwalt Olaf Schmitz die Situation. Aufgrund dieser Information habe Dieter E. dann den ihm vorgelegten Vertrag unterzeichnet. Schmitz: »Ein Aufklärungsgespräch über die zu erwartenden Kosten oder über Wahlleistungen fand nicht statt«. Das sei bei Abschluss eines Vertrages über wahlärztliche Leistungen allerdings zwingend vorgeschrieben, erläutert der Anwalt. Vor allem auch ein deutlicher Hinweis, dass eine Chefarztbehandlung zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen führen könne.
Dieter E. fiel natürlich aus allen Wolken, als der Doktor ihm nach erfolgreicher Operation eine Privatrechnung über 4201,99 Euro schickte und auf Bezahlung klagte. Für Schmitz ein starkes Stück. Dieter E. habe unter so starken Schmerzen gelitten, dass er Opiate nehmen musste. »Er stand seinerzeit regelrecht unter Drogen und hatte zudem Angst um sein Bein.« Aufgrund der starken Schmerzmittel sei der Beklagte überhaupt nicht in der Lage gewesen, wirksame Rechtsgeschäfte abzuschließen, legte der Anwalt in seiner Klageerwiderung dar.
Zum Prozess kam es daraufhin nicht mehr. Denn der Chefarzt zog seine Klage zurück, verzichtete auf seine Privathonorarforderung und zahlte zudem sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten.
»Immer mehr Ärzte versuchen, Wahlleistungen zu verkaufen«, berichtet Olaf Schmitz. Er rät Patienten, sehr sorgfältig zu prüfen, ob die aus eigener Tasche zu zahlenden Leistungen überhaupt sinnvoll seien und sich auf jeden Fall eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. Auch die Krankenkassen sind in solchen Fällen mit Rat behilflich.

Artikel vom 20.05.2005