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Ob Biologen - hier Frank Ahnfeldt und Peter Rüther von der Biologische Station Senne - oder Spitzenkoch Ernst-Heiner Hüser (r.): beide freut's auf ihre Weise, wenn es dem »Wildrhabarber« im Hintergrund an den kulinarischen Kragen geht.

Naturschutz beginnt im Kochtopf

Spitzenkoch Ernst-Heiner Hüser macht aus Problempflanzen Leckerbissen

Von Annemargret Ohlig
Text und Fotos
Senne (WB). Vielfalt ist etwas Schönes - in der Natur ebenso wie im Kochtopf. Manchmal gibt es jedoch Probleme mit der »Vielfalt«. Dann nämlich, wenn »florale Zuwanderer« aus fernen Ländern oder Kontinenten, so genannte Neophyten, sich so breit machen, dass sie an manchen Orten die hier heimische Pflanzen, Sträucher und Bäume rigoros und nachhaltig verdrängen.

Zu einem solchem Problem ist inzwischen der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria japonica) geworden, der im 19. Jahrhundert aus Asien in unsere botanischen und sonstige Gärten geholt wurde. Doch der »Wildrhabarber« - so wird die bis zu vier Meter hohe Pflanze auch genannt - wurde zum »Gartenflüchtling«.
Er verbreitete sich hemmungslos und ließ Teile von sich buchstäblich den Bach runter gehen - Wurzelteile wurden vom Wasser fort- und anderswo ans Ufer gespült. Denn da der Staudenknöterich besonders gern in lockeren Böden Fuß fasst, breitet er sich hemmungslos auch in besonders sensiblen Gebieten wie Bach- und Flussufern aus. Die heimische Pflanzenwelt hat dann dort, wo Knöterichstengel und -blätter einmal ein nahezu undurchdringliches Dickicht gebildet haben, keine Chance mehr.
Selbst Biologen und Naturschützer verzweifeln. »Bis zu acht Mal im Jahr mähen wir an besonders sensiblen Stellen den Staudenknöterich ab - nur so kann er nachhaltig geschwächt werden«, erklären Peter Rüther, Leiter der Biologischen Station Senne, und Diplom-Biologe Frank Ahnfeldt, der Mitarbeiter für die Praxis. Unterstützung erhalten sie jetzt, ganz ernsthaft, von ungewöhnlicher Seite - von Ernst-Heiner Hüser und seinem Kochtopf.
»Essen für den Naturschutz«, das kann man neuerdings im »Historischen Gasthaus Buschkamp« im Museumshof Senne. Der Spitzenkoch bereitet nämlich aus dem säuerlichen »Wildrhabarber« ein delikates Kompott zu, das gleichermaßen als Dessert taugt, wie auch zur Saucenverfeinerung bei gebratener Entenbrust. Besonders lecker sind aber die in mundgerechte Stücke zerteilten Knöterichstängel, wenn sie - vorsichtig, spritzt sehr! - in Olivenöl als Gemüsebeilage gebraten werden.
Eine Idee, die den Mitarbeitern der Biologischen Station im doppelten Sinne bestens schmeckt. Denn: Die »Gemüseernte«, die Hüser für den Kochtopf vornimmt, schwächt den Staudenknöterich - und das ist dann Naturschutz pur.

Artikel vom 07.05.2005