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In den Mantel
helfen erlaubt

Neue Wirtschafts-»Knigge«-Führer

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Chef und Sekretärin stehen vor dem Fahrstuhl. Die Tür öffnet sich. Wer betritt den Fahrstuhl zuerst? Geht es nach dem neuen »Business Knigge für Frauen«, dann hat immer der Ranghöhere den Vortritt -Êes sei denn, der Kavalier verzichtet »freiwillig«.
Egal, was der »Knigge« sagt: Matthias Löckener (hier mit Evely Stollorz, beide Bielefeld) ist vor allem Kavalier. Foto: Jörn Hannemann

Fahrstühle gab es zur Zeit Adolf Freiherr von Knigges (1751 - 1796) noch nicht - ebensowenig wie Frauen, die Männer zum Geschäftsessen einladen und anschließlich sogar selbst bezahlen. Laut Aussage eines neuen »Knigge«-Autorenteams ist das inzwischen gang und gäbe. Erhalten habe sich die Tradition, dass Frau sich -Êganz unabhängig vom Rang -Ê vom Mann in den Mantel helfen oder während einer Bahnfahrt den Koffer in die Ablage legen lässt.
Christina Tabernig, Anke Quittschau und Dieter Pfister schrieben zwei Benimm-Bücher für Geschäftskunden - eines für Männer, eines für Frauen. Viele Aussagen sind identisch. Gutes Benehmen ist offenbar nicht ans Geschlecht gebunden - auch wenn unterschiedliche Untertitel (Frauen: Sicher auftreten im Beruf, Männer: Mehr Erfolg durch gute Manieren) den Schluss nahelegen könnten, als ob gute Manieren bei Männern im Geschäftsleben vergleichsweise unterentwickelt seien.
Nun ja, Vorurteile sind bei einem solchen Thema vielleicht nicht zu vermeiden. Doch es gibt auf der Welt auch andere Erfahrungen als die, dass »Frauenautos schrecklich unaufgeräumt sind«. Und dass Frau mit Mann beim Small Talk grundsätzlich nicht über Kinder reden soll, kann ebenfalls nur durch einen Griff in die Mottenkiste ans Tageslicht gefördert worden sein.
Gemäß dem Motto, »Es gibt keine zweite Chance für den ersten guten Eindruck«, starten die beiden Knigge-Bücher zunächst mit Tipps für das gute Aussehen. Grundsätzlich gilt: Bei der Farbe der Kleidung und beim Schmuck ist Zurückhaltung angebracht. Frau darf sich etwas mehr Farbe erlauben, sollte aber bei Minirock und Delkoltee nicht übertreiben.
Zu den Fragen, die mitunter die Geschäftswelt bewegen, gehört: Wer »muss« wen zuerst grüßen? Hier gilt, dass in der Wirtschaft nicht das Geschlecht entscheidet, sondern der Rang. Das bedeutet, dass Frau auch am Tisch aufsteht, um einen neuen Gast zu begrüßen. Im Privatleben darf zumindest die ältere Dame sitzen bleiben.
Ab 50 Zentimeter wird's intim: So nah sollten sich Kolleginnen und Kollegen im Geschäftsalltag nicht kommen -Êrät der Knigge. Wie und wo zur Begrüßung geküsst werden darf, ist von Land zu Land unterschiedlich.
Knigge kannte weder das stationäre Telefon noch Handy oder E-Mail. Hier hilft das moderne Autorenteam mit Tipps für die richtige Etikette. Auch die Aussagen zu Verhalten bei Geschäftsessen bis hin zu einer kleinen Sushi-Kunde tragen dazu bei, sich sicherer zu fühlen. Ob wirklich jede Vorschrift beachtet werden muss, das Salatblatt beispielsweise nur gefaltet wird, entscheidet jede und jeder für sich. So mancher Verstoß hat sich inzwischen durchgesetzt, weil einfach zu viele ihn begehen. So »darf« man inzwischen seine Kartoffeln schneiden -Êauch wenn die Autoren raten, es nicht zu tun. Und man darf sein Frühstücksei »köpfen«, auch wenn Aufklopfen doch so viel schöner ist.
Die Trainingsbücher »Business-Knigge für Frauen« und »Business-Knigge für Männer« erscheinen im Haufe-Verlag zum Preis von jeweils 19,80 Euro.

Artikel vom 07.05.2005