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Ort und Orte
mit der Poesie
verbunden

»Wege durch das Land« eröffnet

Von Wolfgang Braun
Höxter (WB). Ein gewichtiger Schwerpunkt des OWL-Kulturlebens liegt in diesen Tagen auf Höxter: Am Himmelfahrtstag wurde in Corvey das 6. Literatur- und Musikfestival »Wege durch das Land« eröffnet, an diesem Wochenende beginnen die 51. Corveyer Musikwochen.

»Wege durch das Land« erfahren in ihrer sechsten Saison eine bemerkenswerte Erweiterung. Unter dem Motto »Meinen Ort mit anderen Orten verbinden« werden in diesem Jahren die engen Beziehungen zwischen Ostwestfalen und Westböhmen aufgezeigt. So stand bei der Eröffnungsveranstaltung im Corveyer Kaisersaal der Autor Reiner Kunze (»Die wunderbaren Jahre«) ausschließlich als Übersetzer und Schöpfer gelungener Nachdichtungen von Prosa und Lyrik tschechischer Autoren im Blickpunkt. »Ich bin gewissermaßen mit der tschechischen Sprache verheiratet«, sagte Kunze: Die Deutsch-Tschechin Elisabeth Mifka, die seit 1961 seine Ehefrau ist, habe die Liebe für die tschechische Poesie in ihm geweckt, meinte der Schriftsteller aus der ehemaligen DDR, der nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten zur Niederschlagung der »sanften Prager Revolution« 1968 aus der SED ausgetreten war und unter schwersten Repressalien des DDR-Regimes zu leiden hatte, bis er 1977 das Land verließ und sich in Passau niederließ. »Wenn ich begriffen habe, was Poesie ist, dann nur dank der tschechischen«, gestand Kunze ein.
Von diesem eigentümlichen Reiz tschechischer Literatur mit ihrer stark bildhaften, metaphorischen, mitunter auch surrealen Sprache zeugten die kurzen Texte vornehmlich von Jan Skácel, die Kunze mit einfühlsamer Sprecher-Kunst, den versteckten Humor mancher Passagen voll auskostend, vortrug.
In einem zweiten Teil der Eröffnungsveranstaltung machte der Schauspieler Thomas Thieme (zu sehen in »Der Untergang« von Bernd Eichinger) die Zuhörer mit dem hierzulande weitgehend unbekannt tschechischen Autor Jakub Deml (1878 bis 1961) bekannt. Thieme, ein Schauspieler dessen etwas vierschrötiges Auftreten seine Sensibilität auf den ersten Blick verdecken mag, nahm die Zuhörer mit in die geheimnisvolle, zuweilen auch subtil bedrohliche Welt aus Demls »Heimat«.
Mit dem Konzert der höchst virtuosen tschechischen Geigerin Gabriela Demeterová und des Tschechischen philharmonischen Collegiums mit Werken von Bach bis Tschaikowski war der musikalische Part der Eröffnungsveranstaltung ebenso prominent besetzt wie der literarische.
An diesem Samstag um 19 Uhr eröffnen die 51. Corveyer Musikwochen mit dem Ensemble »I Musici Fiammighi«, am Sonntag werden um 17 Uhr Walters Steffens »Guernica« und Beethovens 9. Sinfonie aufgeführt.

Artikel vom 07.05.2005