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Im Münsterland zwischen
Wildpferden und Varieté
Viele Entdeckungen: Merfelder Bruch, Schlösser und Groß-Gastronomie
Plattes Land, tiefste Provinz: Tischeben ist das Münsterland, große Wälder wechseln mit ausgedehnten Wiesen ab. Irgendwo in der Mitte des Nichts: Eine Herde Pferde grast gemütlich auf einer per Doppelzaun gesicherten Weide.
Noch sind die Fohlen unbeholfen, staksen auf dünnen Beinchen durch das saftige Gras und trauen sich nicht in die Schwemme, wo die Muttertiere Abkühlung an den ersten warmen Frühlingstagen suchen. Es sind Wildpferde des Herzogs von Croy, die dort im Merfelder Bruch, westlich von Münster, ihre Heimat haben.
Wildpferde sind eine Rarität in Europa. Es gibt noch die Senner Wildpferde, die von der »Biologischen Station Senne« betreut und von der Uni Paderborn erforscht werden. In Lettland lebt eine Population unweit der Grenze zu Litauen in Küstennähe. Und in der spanischen Provinz Galizien ziehen jedes Jahr in den Monaten Juni bis August die Bewohner einiger Bergdörfer in fast unzugängliche Höhen, um die Wildpferde in die Täler zu treiben, sie in einer brutalen Zeremonie namens »rapa des basta« mit Brandeisen zu zeichnen und ihnen die Mähne zu scheren.
Derartige Grausamkeiten, von den Massen johlend beklatscht, bleiben den Besuchern des Wildpferdefangs im Merfelder Bruch allerdings erspart. Denn was sich alljährlich am letzten Samstag im Mai (Eintrittskarten gibt es an der Tageskasse!) dort abspielt, dient dem Bestand der Herde und nicht der Volksbelustigung. Es werden die einjährigen Hengste separiert, die sonst mit ihrem Versuch, eine eigene Herde zu bilden, für Unfrieden in dem festen sozialen Gefüge sorgen würden.
Dieser menschliche Eingriff ist neben der Abzäunung des Lebensraumes und der Bewässerung der Schwemme in regenarmen Zeiten der einzige Einfluss, dem die Tiere unterliegen. Tierärzte und Hufschmiede sind ihnen fremd, selbst bei sengender Hitze, pfeifenden Böen und klirrendem Frost sind sie auf Schutz und Nahrung angewiesen, die Wald und Wiese ihnen bieten. Streng verboten ist die Fütterung der Tiere - darüber sind zwar Kinder oft enttäuscht, aber Wildpferde würden menschliche Gaben gesundheitlich nicht vertragen.
Es gibt im Münsterland, wo man sich traditionell noch mit der »Leeze« fortbewegt (Fremde würden dazu »mit dem Rad fahren« sagen), nicht viele Gelegenheiten, so viele Menschen fröhlich an einem Ort versammelt zu sehen. Und deshalb ist das »Dorf Münsterland« bei Legden eigentlich ein Anachronismus. Zwar »passt« die Architektur - aber mit der beschaulichen Stille der ländlichen Region hat dieses Dorf nichts im Sinn. Es handelt sich um einen gastronomischen Großbetrieb, der jedes Wochenende bis zu 6500 Gäste aus dem weiten Umland anlockt, die mangels anderer Unterhaltungsmöglichkeiten dort alles finden, was ihr Herz begehrt: Zünftige Deelenfeste mit toller Livemusik, fetzige Disco-Parties mit den allerneuesten Hits aus den Metropolen, ein rustikales Hotel mit gepflegter westfälischer Küche, den einladenden Kneipentresen, eine kleine Bowling-Anlage, den gemütlichen Cafégarten -Êund jetzt auch noch ein elegantes Revue-Theater, in dem an drei Nachmittagen und zwei Abenden klassisches Varieté geboten wird. Für die »Maxxim-Revue« hat sich die im »Dorf Münsterland« tonangebende Warsteiner Brauerei mit dem renommierten GOP-Theater zusammengetan. Was bislang auf den Bühnen von Hannover, Bad Oeynhausen und Essen das anspruchsvolle Publikum begeisterte, nämlich Akrobatik, Comedy und Conférence gepaart mit lukullischen Gaumenfreuden, hat GOP-Regisseur Karl Heinz Helmschrot nun um ein Ballett mit erotischem Pfiff erweitert. Wo sich ansonsten Fuchs und Hase »gute Nacht« sagen, herrscht auf einmal echt Pariser Flair. Für das »Dorf Münsterland« ist es die ideale Abrundung des breiten Angebotes.
Natürlich setzt das Münsterland auch weiterhin auf seine klassischen AttraktionenÊ- Wasserschlösser wie in Velen oder Raesfeld, ein großes Radwandernetz und nicht zuletzt die Stadt Münster mit Dom nebst astronomischer Uhr, dem Rathaus des Westfälischen Friedens und dem historischen Prinzipalmarkt. Womit wieder einmal bewiesen wäre: In der Provinz ist viel Platz für viele schöne Fleckchen Erde. Man muss nur genau hinschauen . . .
Thomas Albertsen

Artikel vom 21.05.2005