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Der zornige, alte Mann

Joseph Weizenbaum über Computer und den Krieg

Von Esther Steinmeier
Paderborn (WB). Computer sind dumm. Schlimmer noch: Computer machen Menschen dumm. Diese Botschaft verkündet ein Pionier der Informatik, Joseph Weizenbaum, seit mehr als 30 Jahren. Zuletzt im Heinz Nixdorf Museums-Forum in Paderborn.

Das größte Computermuseum der Welt hatte den streitbaren Gesellschaftskritiker eingeladen, um über das Thema »Wieviel Technologie braucht die Demokratie?« zu sprechen.
Das »Wieviel« stand für den ehemaligen Professor des »Massachusetts Institue of Technology« (MIT) in Cambridge, USA, im Hintergrund: »Die wesentliche Frage ist, wie schon existierende Technologie genutzt werden kann, um Demokratie zu fördern.« Damit war Weizenbaum in seinem Fahrwasser angekommen: der kritischen Betrachtung der Informationstechnologie, des Computers und des Fernsehens.
»Das Internet ist ein Misthaufen mit wenigen Perlen drin. Um die zu finden, muss man gute Fragen stellen. Die Fähigkeit, gute Fragen zu stellen, geht verloren.« Das weltweite Netz gaukele den Menschen vor, über alles Wissen der Welt verfügen zu können. Aber: »Das Internet enthält keine Informationen. Es enthält nur Zeichen. Zeichen sind bedeutungslos, bis wir ihnen eine Bedeutung geben.« Weizenbaum provoziert und pauschalisiert: »Fernsehen ist die größte kulturelle Katastrophe, die die Welt erlebt hat.« Und Kindern Computer zu geben, mache »Apfelmus« aus ihren Gehirnen.
Nicht jeder im Publikum konnte sich Weizenbaums kritischer Haltung anschließen. Nach einer Wortmeldung mit einem Plädoyer für das Fernsehen lenkte der 82-Jährige schließlich lächelnd ein: »Ich stimme zu. Zwischen 00.30 und 04.00 Uhr nachts gibt es gutes Fernsehen.«
Gefahr für das Überleben der Menschheit sieht er im Missbrauch der Forschung durch militärische Interessen. Für die Zukunft zeichnet der Pazifist Weizenbaum ein düsteres Bild: »Wir brauchen nicht im Weltraum nach außerirdischem Leben zu suchen. Bis unsere Signale dort angekommen sind und wir die Antwort erhalten, haben wir uns selbst zerstört.« Nach dem Vortrag und am Ende des Abends, ist der zornige, alte Mann milder gestimmt. Im persönlichen Gespräch sagt er: »Manchmal sehe ich ein Stückchen blauen Himmel zwischen den Wolken. Zum Beispiel, seit Millionen Menschen gegen den Irak-Krieg protestieren.«

Artikel vom 05.05.2005