05.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Kraft aus der Höhe« versprochen

Weihbischof Manfred Grothe, Paderborn, zum Fest Christi Himmelfahrt

Uns ist gelungen, wovon in früheren Zeiten nur geträumt wurde. Wir haben die Schwerkraft der Erde durch die Schubkraft von Raketen überwunden. Eine gewaltige Leistung!
Weihbischof Manfred Grothe aus Paderborn.

Als 1969 der erste Mensch den Mond betrat, flackerte die Flamme des Fortschritts hell auf. Zehn Jahre später schraubte der Club of Rome die Flamme wieder beträchtlich herunter. Der Fortschritt ist keine aufsteigende Gerade, sagten die Experen, sondern eine gekrümmte Linie. Wir sind und bleiben an die Schwerkraft irdischer Existenz gebunden.
Schauen wir auf die Lebenskurve des Menschen. »Wenn ich erstmal groß bin...«, sagt das Kind. Bald aber heißt es dann: »Wenn ich nur nicht arbeitslos werde«. Oder: »Wenn es nur kein Krebs ist.« Wissenschaft und Medizin können an der Ballistik menschlicher Hoffnung nur wenig ändern, denn die Schwerkraft des Todes bleibt das Gesetz unseres Lebens.
Optimisten sehen nur die aufsteigende Linie: Das Leben ist Kampf, also weiter im Text! Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Pessimisten sehen allein die absteigende Linie: Leben ist Kampf. Wir haben nichts zu lachen.
Ich möchte eine dritte Möglichkeit aufzeigen. Der Christ sieht beides, das Auf und Ab, aber er misst mit den Augen des Glaubens. Der Christ weiß von einem Menschen, dessen Lebenskurve anders verlaufen ist. Dieser Mensch sagt von sich selbst: »Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater« (Joh 16,28). Von diesem Menschen sagt Paulus: »Er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod. Deshalb hat ihn Gott über alle erhöht« (Phil 2,8.9). Von diesem Menschen bekennen wir: Hinabgestiegen in das Reich des Todes É, aufgefahren in den Himmel. Diesen Menschen konnte der Tod nicht festhalten. Sein Leben wurde bestimmt von der Anziehungskraft der ewigen Liebe des Vaters.
Jesus ist nicht irgendein Mensch. Wir bekennen von ihm: Wahrer Gott und wahrer Mensch. Er ist der Mensch. Und deshalb haben wir doch etwas zu lachen. Jesus, der Mensch, der neue Adam, hat unsere Lebenskurve aufgefangen und mit hineingenommen ins Kraftfeld des Vaters. Unser kleines Leben ist mehr als ein Zacken in der Fieberkurve eines blinden Schicksals, das krank ist am Tod. In Jesus mündet es in einer unermesslichen Zukunft.
»Ihr seid die Zeugen dafür.« Dieses Wort Jesu an die Jünger nimmt auch uns in die Verantwortung. Wir glauben, dass Gott in Jesus sein unwiderrufliches Ja gesagt hat zu unserer Welt. Wir sollen Zeugen dafür sein, dass Tod und Sterben nicht Endpunkte, sondern Wendepunkte sind zu unbegrenztem Leben. Wir glauben, dass das Maß des Menschen Jesus Christus ist, und feiern die Himmelfahrt des Herrn. Wir sollen Zeugen sein dafür, dass er wiederkommt.
Manchem mag das hochtrabend erscheinen angesichts der armseligen Kurve eines alltäglichen Lebens. Lassen wir uns nicht entmutigen! Jeder Mensch ist ein Kraftfeld. Er zieht an und stößt ab. Zeugnis geben heißt einfach: In Tapferkeit und Geduld, in Mut und Demut, in Aufrichtigkeit und Treue versuchen, in dem kleinen Bereich der Welt, der uns zugewiesen ist, ein Kraftfeld der Güte zu sein.
Das können wir nicht aus uns selbst, aber uns wie den Jüngern ist sie versprochen, »die Kraft aus der Höhe«.

Artikel vom 05.05.2005