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Patienten über
Jahre vergiftet


Krankenschwester unter Tatverdacht

Straubing (dpa). Die unter Tötungsverdacht festgenommene Krankenschwester aus dem bayerischen Straubing hat möglicherweise über Jahre Patienten mit Morphium vergiftet.

Derzeit würden sieben Todesfälle seit dem Sommer 2004 untersucht, sagte Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Fiedler am Mittwoch. »Wir werden aber nicht nur diese Fälle überprüfen«, sagte er. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Frau auch in früheren Jahren die Arzneimittelabgabe manipuliert habe. Die 48-Jährige sitzt wegen Totschlagsverdachts in mindestens zwei Fällen in Untersuchungshaft.
Die Kriminalpolizei richtete eine 15-köpfige Sonderkommission ein. Die Beamten wollen zunächst die Todesursachen von vier Männern und drei Frauen im Alter von 58 bis 94 Jahren untersuchen. »In zwei Fällen haben wir einen starken Tatverdacht«, erklärte der Oberstaatsanwalt. Die Frau hat eingeräumt, Überdosen verabreicht zu haben. Die Ermittler wollen noch in dieser Woche die Leichen mehrerer Patienten exhumieren.
Die Frau war am Montag festgenommen worden, nachdem bei internen Kontrollen des Krankenhauses festgestellt wurde, dass an schwer kranke Patienten mehr Morphium als ärztlich angeordnet verabreicht worden war. »Sie hat gesagt, sie wollte das Leiden der Patienten lindern«, erklärte Fiedler. Eine Tötungsabsicht habe die Pflegerin, die seit mehr als 20 Jahren in der Straubinger Klinik St. Elisabeth beschäftigt ist, aber bestritten.
Die Krankenhausleitung hatte Verdacht geschöpft, als sich Mitte April der Sohn eines im Krankenhaus gestorbenen 80-Jährigen beschwerte, dass die Schmerzmittelpumpe bei seinem toten Vater noch eingeschaltet war. Daraufhin startete das Krankenhaus eine umfangreiche Überprüfung. Die Frau hatte als stellvertretende Stationsleiterin Zugriff zu den Schmerzmitteln. In den Büchern des Krankenhauses hatte sie jede Entnahme des Morphiums korrekt dokumentiert. Die Menge des über die Verschreibung der Mediziner hinaus entnommenen Ampullen sei nicht auffällig gewesen, erklärte die Geschäftsführerin des St.- Elisabeth-Klinikums.
Bei den schwer kranken Patienten soll die Frau dann die vollautomatische Medikamentenpumpe manipuliert haben. Dadurch bekamen die Kranken größere Mengen Morphium injiziert als geplant. Eine einzige Ampulle kann nach Angaben der Klinik bei zu schneller Gabe tödlich wirken. Die 48-Jährige ist in den vergangenen Jahrzehnten nie aufgefallen. Sie gilt als sehr qualifiziert.
Unterdessen wird über einen 26-jährigen Krankenpfleger, der in Sonthofen 29 Patienten umgebracht haben soll, ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Danach werde entschieden, ob Anklage erhoben oder die Unterbringung in der Psychiatrie beantragt wird, teilte die Staatsanwaltschaft Kempten mit. Der Krankenpfleger hat 16 Tötungen gestanden. 13 weitere Fälle wurden in toxikologischen Gutachten nachgewiesen.

Artikel vom 05.05.2005